W. Weilenmann
Dr. med. dent.
Walter Weilenmann
eidg. dipl. Zahnarzt
dipl. Natw. ETH

Mitglied SSO, SSGS
und SSO-Zürich.

Der Abwehrwall

Die Pulpa bildet einen Abwehrwall gegen die Karies.
Vor dem Wall sind lauter Abwehrzellen, hinter ihm ist gesundes Gewebe.

Der Abwehrwall spielt die zentrale Rolle beim Überleben der Pulpa. Man sollte ihn beim Bohren nicht verletzen und nicht chemisch stören. Doch kennt man ihn kaum. Wie sieht er aus, wo ist er genau, was tut er, und wie entsteht er?

In den Lehrbüchern und im Google fehlt der Begriff "Abwehrwall".

Ich habe das Wort erstmals im Sommer 2015 von Prof. Dr. sc. nat. Dieter Bosshardt gehört (Universität Bern, Klinik für Parodontologie, Freiburgstrasse 7, CH-3010 Bern, Tel +41 31 632-2589, Fax +41 31 632-4915,
Email <dieter.bosshardt@zmk.unibe.ch> ).

Er leitet das Robert K. Schenk Labor für orale Strukturbiologie in Bern und hat dort die hier abgebildeten histologischen Schnitte gemacht und analysiert.


Klinische Vorbemerkungen

Ermutigung zu direkten Überkappungen

Mit dieser Seite möchte ich meine Kollegen dazu ermutigen, bei einer akuten Pulpitis die Pulpa zu retten und sie nicht gleich zu exstirpieren.

Ob eine Pulpitis reversibel ist oder nicht, erkennt man am besten an der Pulpablutung. Sie kann erst diagnostiziert werden, nachdem man das Tertiärdentin von der Karies befreit hat.

  • Bei einer Blutung von 0-2 Minuten liegt die Heilungsrate zwischen ∼95% (keine Blutung, keine Schmerzen) und ∼83% (kurze Blutung und chronische Schmerzen) gemäss diesen Survivalkurven und Überlebensraten. Einzige Bedingung: man muss nach der Pulpaeröffnung noch alles weiche Dentin exkavieren ohne die Pulpa zu verletzen.
  • Bei einer längeren Blutung sinkt die Überlebensrate unter 50% und entfernt man den Nerv besser.
    Achtung: wenn die Pulpa nicht blutet aber eine schlaflose Nacht mit vergeblicher Schmerzmitteleinnahme vorausgegangen ist, könnte sie bereits am Absterben sein und sollte sie nur auf Wunsch des Patienten versuchsweise überkappt werden.

Nach der Exkavation geht es rasch weiter. Es braucht nämlich kein Desinfektionsmittel, kein Calzium, kein MTA und keine Wartezeit, bis der Zement hart ist. Nach der Exkavation heilt die Pulpa von selbst. Die eröffnete Stelle darf mit einem gängigen Adhäsivmittel beträufelt und mit einem flowable Komposit überkappt werden.

Direkte Überkappungen werden nur selten durchgeführt. Wahrscheinlich ist die Exkavation für viele zu schwierig und zu zeitraubend. Ich überkappe etwa drei mal so oft wie dass ich vitale Pulpen exstirpiere und kann so sehr viele Pulpen retten.

Hier die Zahlen meiner Praxis
während der letzten 5 Jahre:
 AnzahlVerhältnis
Vitalexstirpationen 73 1
direkte Überkappungen 2373
Mortalexstirpationen 390 5
Hubert E. Schroeder schreibt in "Pathobiologie oraler Strukturen" (3. Auflage, S. 124):
"Alle genannten entzündlichen Veränderungen (einschliesslich der Abszessbildung), die nur periphere Bereiche der Kronenpulpa betreffen, heilen aus, sofern die bakterielle Irritation einmalig-kurzfristiger Natur ist oder beseitigt wird."
Genannt werden infiltrierte bakterielle Enzyme, Peptide, Endotoxine, Polysaccharide, somatische Antigege, Mitogene, Chemotaxine, Immunkomplexe, organische Säuren, Abbauprodukte der Entkalkung, Hydrolyse und des enzymatischen Zallabbaus wie Prostaglandine E2 und F sowie frische und chronische Pulpaabszesse.
Anzufügen ist, dass bei den folgenden histologischen Bildern kein einziger Pulpaabszess vorhanden war.
Darstellung des Tertiärdentins

Die Entfernung der Bakterien ist die wichtigste Vorbereitung zur direkten Überkappung. Eine entsprechende Exkavation braucht 5-15 Minuten zusätzliche Zeit.
Dem Läsionsrand entlang und koronal der Pulpa kann man mit normaler Anpresskraft und meistens einhändig exkavieren. Aber im Zentrum der Läsion muss man genau aufpassen. Da benutzt man einen neuen Rosenbohrer und führt das Winkelstück beidhändig mit nur 0-5 Gramm Anpresskraft und mit etwa 1000 U/min. Um die Härte des Tertiärdentins zu ertasten, zieht man die Sonde rückwärts darüber und ebenso leichthändig.
Falsche Empfehlungen...

Pulpitis

Diese Pulpa schmerzte schon lange immer wieder. Die rote Farbe stammt vom Abwehrwall und schimmert durch das Tertiärdentin hindurch, welches mitten in der Karies hart geblieben ist.

Die Exkavation dauerte etwa 15 Minuten und war ohne Anästhesie gut erträglich. Der Bohrer hat das Tertiärdentin an drei Orten minimal verletzt, was jedesmal kurz schmerzte und wonach jedesmal eine Sekunde lang etwas Feuchtigkeit aus der Pulpa austrat.

Schmerzen, Rötung und austretende Feuchtigkeit sind abgestimmte Antworten auf die Reize (Aktivitätsphase des Biofilms, Säurepufferung des Abwehrwalls, Verletzung des Tertiärdentins) und bedeuten keinesfalls, dass die Pulpitis irreversibes geworden ist.

Zahn 11, 79-jährige Patientin (12.04.2017 / 5445)
... und falsche Vorstellungen

Nach der direkten Überkappung
  • Überkappungsmittel: Es soll biologisch passiv sein. Ich verwende Syntac classic und überkappe mit Tetric Flow.
  • Schmerzen: Nach der direkten Überkappung können stundenlange Schmerzen auftreten, vor allem wenn der Patient mit akuten Schmerzen gekommen ist. Schmerzmittel und die private Telefonnummer des Zahnarztes für den Fall des kurzfristigen Misserfolgs sind abzugeben.
  • Kurzfristiger Misserfolg: Bereits wenige Stunden nach der Überkappung kann die Pulpa mit sehr starken Schmerzen absterben, falls die Überkappung versuchweise trotz langer Blutung und akuten Schmerzen versucht worden ist.
  • Langfristiger Misserfolg: 5% (keine Blutung, keine Schmerzen) bis 15% (kurze Blutung, chronische Schmerzen) der Pulpen sterben nach einigen Monaten oder Jahren ab. In dieser Zeit entstehen meistens (nicht immer!) leichte intermittierende Schmerzen und schliesslich eine Fistel.
Der Abwehrwall
Der Abwehrwall

Modifizierte Abb. 7/6 aus Hubert E. Schroeder: Pathobiologie oraler Strukturen, 3. Aufl., Karger, 1997

Karies besteht aus den Zonen 7, 6, 5 und 3. Das ist totes Dentin und kann man schmerzfrei entfernen.

 7 
Zone der Nekrose
Total zerstörtes Dentin. Weich wie nasses Brot.
 6 
Zone der Penetration
verbogene, erweiterte und gespaltene Tubuli ( Ampullen (Rosenkränze, Kavernen) und Spalten). Elastisch-käsige weisse Masse.
 5 
Zone der Demineralisation
Strukturell unveränderte Tubuli, aufgeweicht durch Milchsäure, Essigsäure und Propionsäure (90%). Die Feuchtigkeit ist hypoton gegenüber dem Inhalt der Odontoblasten und bläht sie osmotisch auf. Feucht-klebrige Späne.
 3 
Sklerotisches Dentin
Ist schmerzlos präparierbar. 20 (weich) - 50 (stichfest) KHN. Trockene Späne.
 1 
Hartes Tertiärdentin
Kanalarm und fibrodentinartig, säurefester als Zone 3. Pulvrige Späne.
Weiches Teriärdentin
Im Zentrum eine kleine Pulpaeröffnung.
Zone der Blasen
Konfluierte, aufgeblähte Odontoblasten. Grenzt zirkulär nahtlos an die Odontoblastenschicht.
Zone der Nervenfasern
Dicke Nervenbündel erzeugen starke Schmerzen.
Zone der Blutgefässe
Schimmert rot durch das Tertiärdentin.
 P 
gesunde Pulpa
Enthält keine Entzündungszellen.
Die vier Schichten des Abwehrwalls
  • Tertiärdentin = säurefestes Schutzdentin ohne Tubuli
  • Blasen = ehemalige Odontoblasten = Raum für die Abwehrzellen
  • Nerven = starke, ausstrahlende Schmerzen, wenn der Biofilm aktiv ist
  • Blutgefässe = Nachschub für die Nerven und Abwehrzellen

  • Abwehrwall
    Pathogenese

    Der Speichel gelangt durch die Kavitation tief ins Dentin. Er übt einen osmotischen Druck auf die Odontoblasten aus, welche jeweils unter Zahnschmerzen aufgebläht werden und zu grossen Blasen konfluieren. Die Osmose transportiert einige Bakterien in die Blasen. Dort vermehren sie sich zu kugelförmigen Kolonien und locken Abwehrzellen an. Letztere vermehren sich ebenfalls und phagozytieren die Kolonien. Wird der Biofilm entfernt, so ist die Pulpitis reversibel.

    Der Innendruck der Pulpa bewirkt, dass bei einer Pulpaeröffnung vielfach mit einiger Verzögerung ganz kurz etwas Feuchtigkeit oder Blut austritt.

    Erst wenn das Tertiärdentin weich wird, können zu viele Bakterien eindringen und den Abwehrwall überwinden. Sie gelangen in die Zone der Blutgefässe und werden dann rasch in der ganze Pulpa verteilt. Sie stirbt unter grössten Schmerzen innert wenigen Stunden.


    Herstellung der Bilder

    Die Bilder dieser Seite zeigen schmerzende Weisheitszähne mit tiefer Karies.

    Herstellung
    Die Herstellung geschieht schrittweise und benötigt viele Monate, um das Gewebe immer gleichmässig zu durchwirken und chemisch nur langsam zu verädern. Dazu dienen allmählich auf- und absteigende Konzentrationsreihen zum Einwirken und Auswaschen mit speziellen Temperaturen und vorgeschriebenen Einwirkungszeiten.
    1. Fixierung: Damit die Enzyme der Pulpa das Gewebe nicht zersetzen, werden sie mit Formalin 4% inaktiviert. Die Zähne werden spätestens 15 Minuten nach der Extraktion eingelegt. Damit das Formalin rascher in die Pulpa gelangt, wird die Karies entfernt und die Wurzel unter der Krone geöffnet.
    2. Entkalkung: Damit der Zahn schneidbar wird, wird das Dentin mit EDTA entkalkt. Dazu braucht es etwa 4 Wochen. Zurück bleibt die organische Matrix des Dentins.
      Ohne Entkalkung: Einbettung in MMA und Anfertigung von Hartschliffen.
    3. Trimmen:
    4. Einbettung: Damit das Gewebe beim Schneiden nicht verformt wird, muss es versteift werden. Dazu dienen verschiedene Einbettungsmittel wie Paraffin und Kunstharz.
    5. Dünnschnitte: Mit dem Mikrotom werden die Blöcke in 0.5 - 5 µm dicke Scheiben geschnitten.
    6. Färbung: Die Schnitte werden mit zwei Farbstoffen behandelt. Der erste Farbstoff bleibt nach dem Auswaschen an gewissen Strukturen kleben, die Gegenfarbe an anderen. Ein Farbstoff erzeugt jeweils verschiedene Farben (z. Bsp. blau bis schwarz-blau).
    Einbettmassen
    • Paraffin (meistverwendete Einbettmasse nach Formalin), ein leichtflüssiges Öl. Anfärbung meistens mit Hämatoxylin-Eosin. = Schnellfärbung zur lichtmikroskop. Voruntersuchung.
    • LRW (London Resin White), ein sehr dünnflüssiges, hydrophiles Acrylharz, das auf verschiedene Arten und vor allem sehr langsam polymerisiert wird, damit keine Strukturveränderungen stattfinden. Es bleibt hydrophil und kann verschieden angefärbt werden, z.Bsp. mit Toluidinblau-Fuchsin
    • MMA (Methylmethacrylat), ist härter als Paraffin.
    HE-Färbung (bei Paraffin-Schnitten):
    • Hämatoxylin ist positiv geladen und färbt alle sauren Strukturen blau bis schwarzblau
      Zellkerne(DNA) und Ribosomen.
    • Eosin ist negativ geladen und färbt die basischen Strukturen rot
      Zellplasmaproteine, Mitochondrien, endoplasm. Reticulum, Kollagen und Keratin.
    Toluidinblau-Fuchsin (bei Epoxidharz-Dünnschnitten)
    • Toluidinblau markiert die Regionen, wo sich viele Elektronen aufhalten.
    • Fuchsin färbt DNA und Gramnegative Bakterien rot-magenta
      Fuchsin wird auch als Kariesdetektor verwendet, weil es Karies gut anfärbt.
    Paraffin mit HE-Färbung
    Hämatoxylin-Eosin-Färbung
    Hämatoxylin (blau)Eosin (rot)
    Zellkerne, KnorpelZytoplasma, Erythrocyten
    Kollagenfasern, Muskeln
    elast. Fasern

    LRW mit Toluidinblau-Fuchsin
    Toluidinblau-Fuchsin-Färbung
    Toluidin (blau)Fuchsin (rot)
    Zellkerne, KnorpelZytoplasma, Erythrocyten
    saure GewebeKollagenfasern, Muskeln
    DNS, RNSelast. Fasern

    Vorteile der Entkalkung:
    1) mehr Details
    2) Immunhistochemie zur Unterscheidung von Neutrophile, Makrophagen etc. wird möglich
    3) Bilder am Transmissionselektronenmikroskop (TEM) werden möglich (z.B. Nachweis von phagozytierten Bakterien)
    4) Brown & Brenn Färbung zum Nachweis von Gram+ und Gram- Bakterien wird möglich.

    Nachteile der Entkalkung:
    1) Die Schnitte zeigen nicht das ganze Areal sondern Teile davon
    2) Kontrast im Paraffin ist ev. etwas weniger gut.

    Überblick

    09Ueberblick.jpg

    1: Zahn 1: 50-jährig

     unbehandelt

    2: 15_058: 31-jährig

     vital exkaviert, weisse Flecken

    3: 16_018: 22-jährig

     vital exkaviert, Syntac

    4: 16_085: 29-jährig

     devital exkaviert, Kerbe in Wurzel

    5: 16_088: 28-jährig

     vital exkaviert

    6: 17_047: 22-jährig

     vital exkaviert, Syntac


    № 1: Tertiärdentin, Lymphozyten und Kollagenfasern
    23.6.14

    10Zahn1.jpg
    50-jähriger Patient (23.06.2014/ -)

    Zahn 38 mit dem Abwehrwall im Überblick

    • Der Abwehrwall besteht aus einer dichten Kollagenschicht, sehr vielen Lymphocyten und Tertiärdentin
    • Hinter dem Abwehrwall sind zahlreiche Nervenbündel und Blutgefässe
    • Die Pulpa hinter dem Abwehrwall ist überall normal
    Beschreibung

    11Zahn1.jpg

    Bild 1: Bakterien

    • oben: scheinbar "planktonische" Bakterien ausserhalb des Dentins
    • Mitte: Biofilm in den Dentintubuli und in deren Querverbindungen
    • rechts: Biofilm auf dem Dentin

    12Zahn1.jpg

    Bild 2: Lymphocyten

    • Sehr zahlreiche Lymphocyten.

    Bild 2 ist ein kleiner Ausschnitt einer stark erweiterten Blase der Odontoblastenschicht.

    Die Blasen enthalten neben den Lymphocyten auch einige Erythrocyten. Diese Zellen schwimmen im Blutserum. Es tritt aus eröffnete Kapillaren aus, und der Blutdruck spannt die Blasen auf. Somit sind die Blasen direkt mit der Immunabwehr des Körpers verbunden.


    13Zahn1.jpg

    Bild 3: Mikroverkalkungen

    • Mineralisiertes Dentin (links, rot)
    • Prädentin (daneben, dunkelblau) mit Verkalkungsglobuli (Kalkosphärite, rote Kugeln) = Zeichen aktiver Dentinbildung
    • Odontoblasten (im Prädentin, schwarze Punkte). Sie sind unnatürlich klein, wahrscheinlich wegen den schwierigen Fixationsbedingungen im Wurzelkanal.
    • Mikroverkalkung peripher eines Nervenbündels (rechts der Bildmitte, rot-schwarz)
    • Mikroverkalkung perivaskulär (rechts, rot)

    15_058: Prädentin‚ Nerven und Gefässe
    10.6.15

    20Zahn2_4753.jpg
    31-jähriger Patient (10.06.2015 / 4753)

    Zahn 28. Eröffnung mit zwei weissen Flecken (Pfeile). Ist es Restkaries? Sie kleben fest an der Pulpa. Bei einem früheren Versuch, solche Flecken mit einer Pinzette abzureissen, lösten sie sich sehr schlecht und begann die Pulpa zu bluten.

    Nach der Exkavation wurde der Zahn extrahiert und sofort in Formalin 4% eingelegt.


    21Zahn2_4753.jpg

    Einbettung unentkalkt in MMA
    Hartschliffe
    Toluidinblau/Fuchsin.

    BildInhalt
    1Pulpaeröffnung, Dentininsel
    2Bakterien, Mitosen
    3Phagocytose
    4Viel Prädentin
    5Nerven und Gefässe

    22Zahn2WeisseFlecken4753.jpg

    Bild 1: Pulpaeröffnung, Dentininsel

    Das Bild der Eröffnung hat zwei klinische Bedeutungen:

    • Die zwei weisse Flecken sind Tertiärdentin!
      → Nicht exkavieren
    • Keine Bakterien in der Pulpa trotz Eröffnung
      → Keine Desinfektion nötig
    • Abwehrwall unverletzt trotz Eröffnung. Er befindet sich etwa 1 mm unter dem Dentin.
    • Keine Blutung bei der Eröffnung (Grad 0) trotz chron. Schmerzen (Grad 1).
    • Artefakte: nur wenige. Wegen der Eröffnung konnte das Fixiermittel gut perfundieren

    Massstab: Die Pulpa ist etwa 1 mm breit.


    23Zahn2Phagocytose4753.jpg

    Diese beiden Bilder zeigen die Pulpa hinter dem Abwehrwall.

    Bild 2: Bakterien und Mitosen

    Die Bakterien gelangten etwa 1 mm tief in den Lymphozytenwall hinein. (Zum Vergleich: sie dringen auch in den Sulcus und in die Ausführgänge der kleinen Speicheldrüsen am Gaumen hinein!) Sie erscheinen als ein Haufen winziger roter Punkte. Alle Zellkerne rundherum erscheinen als Paare: sie teilen sich (Mitosen). Die Kolonie ist vielleicht nur wenige Tage alt.

    Bild 3: Rote Zelleinschlüsse

    Viele winzige rote Punkte in den Zellen drin. Das Areal ist etwas grösser wie die Kolonie links. Es könnte eine phagozytierte Kolonie sein.


    24Zahn2Praedentin_4753.jpg

    Beachte: Nur gesunde Odontoblasten trotz tiefer Karies und reizarmem Exkavieren!

    Bild 4: viel Prädentin

    links: mitten unter der Karies
    rot: Dentin
    hellblau: unmineralisiertes Prädentin
    dunkelblau: Zellkerne der Odontoblasten

    rechts: neben der Karies:
    Die hellblaue Schicht des Prädentins ist ganz dünn.


    26Zahn2NervGefaesse4753.jpg

    Bild 5: Nerven und Gefässe

    Direkt unter dem Zentrum der Karies bildet der Abwehrwall viel Prädentin, ein dichtes Gefässnetz und zahlreiche Neuronenbündel.

    Abwehrwall im Überblick

    Detail der Schicht der Nerven und Gefässe

    • Die Neuronenbündel liegen gegen die Karies (oberhalb der Bildmitte).
    • Die Blutgefässe liegen gegen die Pulpa (unterhalb der Bildmitte).
    • Die bräunlichen Verfärbungen schimmern aus einer tieferen Schicht des Präparates.
    • Nur wenige Lymphocyten sind sichtbar
    Beschreibung

    16_018: Blasen mit Erythrocyten
    22.3.16

    30Zahn3_6976.jpg
    29-jährige Patientin (22.03.2016 / 6976)

    Zahn 48. Pfeil = Stelle der Pulpaeröffnung

    Nach der Exkavation wurde

    • Syntac Primer während 15s appliziert
    • die Kavität mit dem Luftbläser getrocknet
    • Syntac Adhesive 10s lang appliziert
    • luftgetrocknet
    • der Zahn war 1 Minute später extrahiert und wurde sofort in 4% Formalin eingelegt.

    Die histolog. Auswertung durch Prof. Dr. Dieter D. Bosshardt erfolgte am 27.4.2017


    31Zahn3_6976.jpg

    Die Stelle der Eröffnung

    (LRW, Toluidinblau-Fuchsin)

    • Pulpa knapp eröffnet durch Stich mit der Sonde
    • wenige kleinere und mittelgrosse Blutgefässe
    • Tertiärdentin nur undeutlich sichtbar.
    • Kleine Bezirke (Nervenbündel? Schaumzellen (Makrophagen)?)

    1 mm neben der Eröffnung

    (Paraffin, Hämatoxylin-Eosin

    • Pulpa von wenige µ dünnem Dentin überzogen
    • wenige Blutgefässe
    • Tertiärdentin auf einer Seite der Eröffnung
    • Keine kleinen Bezirke

    Beide Schnitte

    • Blasen zwischen den Odontoblasten unter dem Tertiärdentin
    • Entzündungszellen nirgends vorhanden
    • Bakterien nicht schlüssig sichtbar
    • Keine Schäden wegen Syntac sichtbar

    321Zahn3_6976.jpg

    Der Stich in die Pulpa

    Die Sonde stach etwa 0.5 mm tief in die Pulpa. Sie hat nicht geblutet. Trotzdem ist auf dem Bild eine beträchtliche Verletzung sichtbar:
    - Das hauchdünne Tertiärdentin wurde eingedrückt,
    - die Odontoblastenreihe wurde zerrissen, und - fast wäre ein Blutgefäss verletzt worden.

    Daraus kann man schliessen:

    • man soll die Pulpa beim Exkavieren nicht verletzen, und
    • man soll eine mögliche Eröffnung nur ganz vorsichtig sondieren, um festzustellen, ob die Pulpa eröffnet ist.

    32Zahn3_6976.jpg

    Blasen zwischen den Odontoblasten

    Neben der Eröffnungsstelle ist das Dentin etwa 10µm dick. Es ist Tertiärdentin mit sklerosierten Dentintubuli.

    Die braune Haut auf dem Dentin ist etwa 3µm dick. Das könnte Syntac sein.

    Die Karies hat durch das Tertiärdentin hindurch Blasen zwischen den Odontoblasten verursacht.

    Eine Blase enthält Erythrocyten (ERY). Sie stammen aus einem geplatzten Gefäss.

    Die Blase ist wahrscheinlich voll von Serum. Vergrössert das austretende Serum die Blasen?

    Syntac schadet nicht

    Das Syntac wurde nach dem Stich auf die Pulpa getröpfelt. Offenbar hat es das ganze Dentin wie eine Haut abgedeckt, aber in der verletzten Pulpa ist es nicht zu erkennen.


    33Zahn3_6976.jpg

    Die Zellschichten beim Abwehrwall

    Neben den Blasen im Odontoblastensaum bilden sich mehr Kapillaren und Neuronenbündel in und unter der bipolaren Zone.

    • Dentin mit Dentinkanälchen, darin die Tomes-Fasern (Odontoblastenfortsätze)
    • Prädentin (noch nicht mineralisiertes Dentin)
    • Odontoblasten, sind miteinander verbunden.
    • Weil'sche Zone (zellarm)
    • Bipolare Zone (zellreich) mit schlanken (bipolar="zweiendig") Präodontoblasten, Fibroblasten, zahlreichen Kapillaren und kleinen Blutgefässen.
    • darunter: Neuronenbündel oder Schaumzellen (oder sonst etwas) in Form von kleinen, rundlichen Feldern.

    16_085: bessere Fixation?
    25.8.16

    40Zahn4_2520.jpg
    28-jährige Patientin (25.08.2016 / 2520)

    Zahn 28

    Bessere Fixation durch Eröffnung der Wurzelpulpa?

    Ich hab den Zahn nach der Extraktion sofort ins Wasser gelegt, dann den Patienten fertig versorgt. Nach etwa 15 Minuten nahm ich den Zahn wieder aus dem Wasser heraus und hab die Karies grosso modo (= ohne epipulpale Exkavation) exkaviert bis zur Pulpa. Sie ist rot und hätte sicher geblutet.
    Dann hab ich eine breite Kerbe in der Wurzelmitte bis zur Pulpa mit einem Diamanten und Wasserkühlung ausgeschliffen. Dort ist die Pulpa weiss. Der breite Schnitt nimmt viel Material und hat eine bessere Wasserkühlung beim Bohren als ein schmaler Schnitt.


    41Uebersicht2520.jpg

    Übersicht


    Unter der Karies

    Es ist viel Tertiärdentin entstanden.
    Die Odontoblasten haben sich ausnahmslos zu Blasen umgeformt.

    In der Wurzelmitte

    In diesem Teil des Zahnes sind mehrere Befunde vorhanden, die nicht wegen der Karies entstanden sind, sondern eher iatrogen beim Anschleifen der Wurzel.


    42BakterienInTubuli2520.jpg

    Viele Bakterien in den Dentintubuli

    Einzelne Dentintubuli sind voll von Bakterien.

    Desinfektion vs. Exkavation

    Im Gegensatz zu den obigen Fällen habe ich bei diesem Fall nicht alle Karies exkaviert. Das abgebildete Dentin mit den vielen Bakterien in den Dentintubuli ist also kariös.
    Gemäss dieser Erfahrung überleben Pulpen mit guter Exkavation deutlich besser als mit "normaler" Exkavation.
    Das heisst, dass die Desinfektionsmittel die hier abgebildeten, in den Dentinkanälen verbleibenden Bakterien nicht gut erreichen. Sie können sich immer noch vermehren und bringen die Pulpa innert Tagen, Wochen oder Monaten zum Absterben.


    43BakterienInTertiaerdentin2520.jpg

    Wenig Bakterien im Abwehrwall

    Das Tertiärdentin enthält nur wenige Tubuli und Bakterien.
    In der Pulpa sind ebenfalls nur wenige Bakterien zu sehen.

    45Aspiration2520.jpg

    1. Artefakt "aspirierte Odontoblasten"

    2 mm unter der Schmelz-Zement-Grenze, also nahe bei Wurzelmitte, wo die Kerve ins Dentin eingeschliffen worden ist, sind an einer Stelle viele Odontoblasten in die Dentinkanälchen hineingedrückt worden. Wie kann der Diamantschleifer (400'000 rpm, wassergekült, ca. 100 g Anpressdruck) einen Druck im Dentin verursachen, der die Odontoblasten tief in die Dentinkanäle hineindrückt?

    Mögliche Erklärung:
    Bekanntlich werden die Tubuli beim Präparieren mit einem smear layer verschlossen. Der Verschluss ist jedoch weniger dicht als normal. Der Gewebedruck der Pulpa (10 mm Hg) verursacht nun eine Fluidströmung durch die Tubuli nach aussen, bei welcher die Odonotblasten langsame in die Tubuli hinein gedrückt werden.

    47Blutgefaess2520.jpg

    2. Artefakt "seltsame Strukturen in Blutgefäss"

    Der erhitzte Liquor in den Tubuli hat zahlreiche Odontoblasten platzen lassen und Blasen verursacht. Weshalb sind in den Blutgefässen seltsame Strukturen entstanden?

    Mögliche Erklärung:
    Die Präpration hat einen Druckabfall im Gewebe der Pulpa verursacht. Möglicherweise sind deswegen in den Blutgefässen einige Erythrocyten geplatzt.

    48Hitzeschaden2520.jpg

    3. Artefakt "Hitzeschaden"

    In der Nähe der Wurzelmitte, wo die Wurzelpulpa eröffnet worden ist, sind viele Odontoblasten verschwunden. Ist das ein Hitzeschaden?.

    Mögliche Erklärung:
    Beim Präparieren mit Diamant und Wasserspray steigt die Temperatur der Pulpa proportional zur
    - Präparationsdauer,
    - Anpresskraft,
    - Grösse des Diamantkorns, und
    - Dicke des verbleibenden Dentins.

    Beim direkten Kontakt des Bohrers mit der Pulpa ist die Kühlwirkung des Wassersprays unwirksam (wie wenn der Bohrer die Gingiva streift). Bei einer Car. prof. ist das verbleibende Dentin nur ½ mm dick oder dünner, sodass ebenfalls kein thermischer Schutz resultiert. Damit wird der Hitzeschaden zu einer der einfachsten Erklärungen.

    Somit sind bei der Eröffnung der Pulpa in der Wurzelmitte drei Präparationsschäden: entstanden:

    1. Odontoblastenaspiration nach Eröffnung der Tubuli
    2. geplatzte Erythrocyten in erhitzten Blutgefässen
    3. zerplatzte Odontoblasten als Hitzeschaden

    16_088: Pulpa und Parodontitis
    1.9.16

    51Zahn5395.jpg
    37-jähriger Patient (01.09.2016 / 5395)

    Zahn 48

    Pulpa bei schwerer Parodontitis

    Der Patient ist Raucher, hat viel Zahnstein und eine generelle fortgeschrittenen Parodontitis. Der Zahn 48 war sehr locker und schmerzte.

    Schwarzer Zahnstein befindet sich am linken und rechten Rand der Karies.

    Die Absicht war, an diesem Zahn noch einmal alle bisher gefunden Phänomene des Abwehrwalles zu bestätigen:

    1. Tertiärdentin
    2. Blasen
    3. Bakterienkolonien
    4. Phagozytose und Mitosen
    5. Schicht von Nerven
    6. Schicht von Blutgefässen
    7. Entzündungsfreie restliche Pulpa

    Überraschenderweise fanden sich aber wieder neue Phänomene.

    • Pilzkolonien
    • zerstörtes Gewebe in der Pulpa

    Eine solche Pulpitis ist sehr wahrscheinlich irreversibel. Die klinischen Zeichen waren:

    52Zahn5395.jpg

    Bild: 16_088_B2_00_0016125
    Färbung: Toluidinblau-Fuchsin
    Einbettung: LRW

    Bericht Prof. Bosshard:
    • Die Pulpa ist fast komplett befallen mit Entzündungszellen.
    • Am Pulparand befinden sich Blasen.
    • Das Gewebe ist in gewissen Zonen aufgelöst (kein Artefakt).
    • Möglicherweise sind Bakterien und Pilze in der Pulpa (Pilze v.a. am Schnittrand).
    • Die Odontoblasten sind praktisch komplett zerstört.
    • Kleine Stelle mit Fibrodentin, etwas Tertiärdentin.

    17_047: Entstehung der Blasen

    61Zahn2789.JPG
    22-jähriger Patient (06.07.2017 / 2789)

    Zahn 18

    Syntac-Nachweis

    Nach der Anästhesie habe ich den Zahn zuerst exkaviert, dann mit Syntac Primer und Syntac Adhesiv beträufelt und dann innert einer Minute extrahiert und in 4% Formalin eingelegt. Zur Vorsicht schliff ich diesmal keine Kerbe mehr.

    Das Ziel ist, wieder einen Abwehrwall vorzufinden und keine weiteren neuen Befunde, damit es dann die letzte Histologie wäre. Insbesondere soll klar werden, ob die Blasen ein Artefakt sind und das Syntac wieder als graue Schicht über dem Dentin sichtbar ist wie hier.


    62Syntac2789.jpg

    Syntac - drei Beispiele

    Syntac ist die dünne graue Schicht zuoberst auf dem Schnittbild. Sie ist etwa 2 µ dick und klebt lückenlos auf den angeschnittenene Dentintubuli, welche ebenfalls etwa 2 µ dick sind. Die Gleichmässigkeit der Syntac-Schicht ist erstaunlich. Sie ist ein perfekter Verschluss der angeschnittenen Dentintubuli und betroffenen Odontoblasten.


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    Übersicht

    A) Dentin gesund

    1: Dentintubuli
    2: Dentin-Neubildung
    3: Odontoblasten
    4: Pulpa
    In der ganzen Pulpa hat es nirgends Bakterien!

    B) Tertiärdentin (grosser Abstand zur Karies)

    1: Dentin
    2a: Tertiärdentin, äusserste Schicht
    2b: Tertiärdentin, innerste Schicht
      (das ganze Schicht ist so breit wie das Bild)
    3: Odontoblasten
    4: Pulpa

    C) Beginn der Blasenbildung (nahe bei der Karies)

    2b: Tertiärdentin, innerste Schicht
    2c: blasig aufgedunsene Dentintubuli und verformtes Dentin (es ist durch Säuren erweicht)
    3: Odontoblasten
    3a: aufgeblasene Odontoblasten (sie saugen Wasser von der feuchten Karies auf)
    3b: Blase (= vereinigte Odontoblasten)
    3c: Erythrocyten in einer Blase
    4: Pulpa

    D) Grosse Blase (am nächsten zur Karies)

    2b: Tertiärdentin, innerste Schicht, Wände ganz aufgelöst
    3: Odontoblasten, zerdrückt
    3b: Blase
    4a: Blutgefäss, Zeichen des Abwehrwalles

    Copyright © 2024 Icon W. Weilenmann
    erstellt: 19.04.2017 - 23.02.2024