W. Weilenmann
Dr. med. dent.
Walter Weilenmann
eidg. dipl. Zahnarzt
dipl. Natw. ETH

Mitglied SSO, SSGS
und SSO-Zürich.

Biologische Betrachtungen

Die Evolution hat das Gebiss bezüglich Form und Funktion zum Essen optimiert.
Es leistet auffällig viel:
  • Die Kaumuskeln sind die stärksten aller Muskeln
  • die Zahl der Kauzyklen pro Jahr beträgt mehrere Millionen
  • die Lebensdauer der Zähne erreicht im Prinzip 100 und mehr Jahre
  • Die Zähne sind die feinsten Tastorgane des Körpers
  • Zahnschmerzen können besonders gross werden
Weshalb hat die Evolution das Gebiss derart optimiert?
Welche Maschine kann da mithalten?

Essen: Grundlage des Lebens

Im Gegensatz zu den toten Dingen zeichnet sich ein Lebewesen dadurch aus, dass es sich vermehren kann. Tote Dinge wie Steine oder Felsen vermehren sich nicht.

Um zu leben müssen die Lebewesen Materie und Energie aus der Umgebung aufnehmen und in ihrem Körper einbauen.

Die Nahrungsaufnahme gehört zu den ersten Grundlagen des Lebens überhaupt. Ohne Nahrungsaufnahme würde es schnell wieder aufhören zu existieren. Das gilt vom Bakterium bis zum Menschen.

Bakterien und Algen nehmen die Nahrung durch die Haut auf (Zellmembran).

Pflanzen gewinnen CO² durch die Blätter und atmen O² durch die Blätter aus.

Fische und Landtiere benötigen Zähne zur Nahrungsaufnahme.


Zähne: Grundlage des Essens

Was spielen die Zähne für eine Rolle bei den höheren Lebewesen?

Wie wichtig die Nahrungsaufnahme für das Leben ist, zeigen zum Beispiel die Kaumuskeln. Sie sind die stäksten Muskeln des Köpers (gemessen am Durchmesser des Muskels) - und sie bleiben die stärksten bis am Schluss des Lebens, auch bei den 100-jährigen Menschen.

Ein anderes Beispiel ist der Zahnschmelz. Er ist das härteste Material, das die Lebewesen herstellen können. Schmelz ist härter als Knochen. Wären die Zähne nicht so hart, so könnten viele Landtiere gar nicht leben.

Ein drittes Beispiel der Wichtigkeit der Ernährung ist der Verdauungskanal. Er beginnt mit dem Gebiss und endet am After und ist 6 bis 8 Meter lang. Der Darm wird vom grössten Hirnnerv, den wir haben, gesteuert: der Nervus vagus. Dieser ist die Grundlage der Darm-Hirn-Achse. Was man isst und wie man kaut beeinflusst auch unser Denken und unsere Emotionen, ohne dass sich unsere Selbstkontrolle und unser "freie Willen" auf die Dauer dagegen wehren kann.

Ein weiteres Indiz, dass das Gebiss eine fundamentale Rolle im Leben spielt, ist seine Bedeutung bei der Partnersuche: die Zähne müssen schön sein und kräftig und belastbar wirken.
Das beginnt schon bei den Tieren: "Stress Responses in Mice Induced by Orthodontic Tooth Movement" (2009, Vandevska-Radunovic, Vaska und Murison, Robert). Mäuse mit schiefen Zähnen ziehen sich vermehrt von der Gruppe zurück. Das ist bei den Menschen genau gleich, zumindest bei den jungen Menschen. Deshalb nennt man die oberen Frontzähne auch "social six".

Die Zähne haben das grösste Feingefühl des Körpers. Es ist grösser als jenes der Fingerbeeren. Mit den Zähnen kann jeder ohne Übung jeden 100stel Millimeter spüren. Im Laufe des Lebens nützen sich die Zähne unterschiedlich stark ab. Deshalb besitzen die Kiefer einen automatischen Korrekturmechanismus, der dafür sorgt, dass die unteren und oberen Zähne trotz der Abnützung beim komplizierten Kauvorgang stets perfekt zusammenpassen. Von diesem Korrekturmechanismus sind Füllungen, Kronen und Implantate ausgenommen. Bei diesen entstehen nicht selten im Laufe der Jahre Überlastungen und damit zusammenhängende Probleme.

Die Zahnschmerzen können aussergewöhnlich gross und stärker und länger als eine Nierenkolik oder als Geburtsschmerzen werden. Ein Grund, warum Zahnschmerzen so stark empfunden werden, ist die hohe Dichte an Nervenenden im Mundbereich.

Wie ist es im hohen Alter?

Im hohen Alter vermindert sich die Vorzugsstellung der Zähne. "La minestra va sempre" ist die Losung vieler alten Menschen, welche ihre Zähne verloren haben. Sie sagen manchmal auch: "Wenn ich 80 bin, lasse ich die Zähne nicht mehr flicken."

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erstellt: 01.01.2018 - 10.10.2024