Bruxismus ist ein andauerndes Auf-die-Zähne-Beissen, auch wenn man nicht am Essen ist. Er führt bei etwa 15% der Menschen zu störenden oder sogar starken Schmerzen. Normalerweise hält man die Zähne die ganze Zeit in der sogenannten Ruheschwebe auseinander. In dieser bleiben die Kiefer unbelastet und werden die Zähne nicht abgenützt. Beim Bruxismus hingegen werden die Zähne entweder aufeinander gebissen (Pressen) oder ständig gegeneinander gerieben (Knirschen). Bruxismus kann nur bei Leuten entstehen, die viele gesunde, feste Zähne haben.
Pressen ist ein angeborener psychischer Reflex gegen den Stress. Es gibt in vielen Sprachen eine Redensart wie "da muss man auf die Zähne beissen", "devi stringere i denti" und "il faut serrer les dents", sogar auf russisch und chinesisch. In afrikanischen Sprachen gibt es gemäss ChatGPT kein sprichwörtliches Auf-die-Zähne-Beissen, aber sehr wohl andersartige Ermunterungen zum Durchhalten usw. Beim Pressen spürt man, dass man sehr stark sein kann. Die Kaumuskeln sind nämlich die stärksten Muskeln im Körper, und die Zähne können wenigstens einen Moment lang den höchsten Druck ohne Schmerz aushalten.
Knirschen ist ein angeborener Korrekturmechanismus des Gebisses. Er bewirkt, dass die Milchzähne bei Kindern besser zusammenpassen und sich die Zähne bei Erwachsenen einander angleichen, wenn sie sich beim Kauen abnützen. Viele Kinder knirschen hörbar und schleifen ihre Milchzähne bis zum Zahnwechsel etwa 2 mm ab. Bei erwachsenen starken Knirschern geht etwa ein Millimeter Zahnsubstanz pro Jahrzehnt verloren. Dabei werden die Zahnhöcker flacher und die Zähne niedriger. Es entsteht eine Bisssenkung. Zum Glück ist diese normalerweise nur gering und bleibt schmerzlos und unbemerkt.
Bei Schmerzen spricht man von Bruxismus, okklusaler Dysästhesie, CMD oder PBS. Denn die Ursachen sind vielseitig. Gewiss ist es letztlich ein Grundbedürfnis nach Kraft und Macht, das bei dauernder Anspannung, Angst, Stress, Überlastung, Trauma, hohem Leistungswillen, ständigem Ehrgeiz usw. zum Bruxismus führt. Der sich daraus bildende motorische Automatismus ist eine neuro-physiologische Verselbständigung des Bruxismus. Mit ihm verbunden ist manchmal auch eine Zwangsstörung, also eine psychische Not (OCD) , die immer wieder die gleichen unangenehmen Gefühle und Gedanken hervorruft und entsprechende Handlungen verlangt (wie bruxen), damit man nachher wenigstens für eine Minute Ruhe findet. Das Besondere dabei ist, dass das Gefühl, ein Zahn stimme nicht, ganz real gespürt wird und nicht bloss eine Meinung ist, obwohl bei den Zähnen kein Fehler sichtbar ist. Und leider beginnen die Zähne wegen den häufigen Bisskontakten dann wirklich zu schmerzen.
Kompositfüllungen brechen nicht nur wegen Bruxismus, sondern auch bei Überlastung durch Formfehler der Kaufläche, wenn sich das Kauzentrum auf eine einzelne Kompositfüllung verlagert infolge Zahnausfall, wenn eine Füllung auf einer schiefen Unterlage abrutscht usw. Wegen diesen Frakturgefahren werden oft Gold- und Porzellankronen hergestellt, denn diese sind stärker als Zähne und brechen nicht, auch wenn sie Formfehler haben.
Diese Seite soll helfen, den Bruxismus zu erkennen, damit Reparaturen mit Komposit besser halten. Kurz gesagt muss der ZahnarztSeit der Covid-Krise hat die Zahl der Bruxismus-Patienten deutlich zugenommen. Dies konnte ich auch in meiner Praxis an der Zahl der abgegebenen Knirscher-Schienen deutlich sehen (siehe hier). Auch die Psychiatrie berichtet vom gleichen Phänomen der Zunahme der stressbedingten Krankheiten.
Die erste Ursache ist die Angst vor Covid und der Wunsch nach Schutz und Sicherheit vor Covid. Viele Menschen sind wegen der Corona-Pandemie mit ihrer Gesundheit sehr vorsichtig geworden. Einige tragen deswegen immer noch einen Mundschutz. Es ist verständlich, dass Angst und erhöhte Vorsicht den Stress vermehren.
Eine zweite Ursache sind die Medien, welche mit ihren Head-Lines alle schrecklichen Dinge zu Geld machen. Dabei übertreiben sie nach Möglichkeit jedes Detail, auch wenn sie uns so noch mehr stressen.
Eine dritte Ursache ist die heutige Popularisierung der psychischen Erkrankungen. Wohlmeinende Kurse für
Jugendliche haben gezeigt, dass ein Thema über Gesundheit und Stress den Stress nicht vermindert sondern paradoxerweise noch erhöht.
Psychlogen erklären die Diskrepanz zwischen der Zunahme der psychischen Krankheiten und den eigentlich doch immer besseren Medikamenten, Psychotherapien, Anti-Stress-Kursen, besseren Arbeitsbedingungen usw. mit einer
"Prävalenz-Inflations-Hypothese"
und einer
"diagnostischen Inflation" .
Eine vierte Ursache ist schliesslich die Zunahme des durchschnittlichen Alters der Patienten. Der Bruxismus ist
eine gewohnheitsmässige hohe Belastung der Zähne. Und je mehr Jahre er dauert, desto mehr werden
die Folgen sichtbar und bricht also zum Beispiel ein stets hoch belasteter Zahn plötzlich ab, oder beginnt ein Zahn plötzlich zu schmerzen,
weil der Nachbarzahn verloren gegangen ist.
Das Durchschnittsalter der Patienten hat in den letzten 35 Jahre volle 20 Jahre zugenommen (siehe hier)! Das hat die Zahnmedizin sehr verändert.
Die Wirkung von Informationen über Krankheiten ist paradox. Statt dass sie zu mehr Gesundheit führt, fühlen sich viele Menschen nach den Informationen kränker als vorher. Dies wurde mehrfach erkannt und wissenschaftlich bewiesen.
Buchempfehlung für Laien:
What Mental Illness Really Is... (and what it Isn’t)
Lucy Foulkes
Wissenschaftliche Übersichtsarbeit:
Mehr Behandlungen, aber nicht weniger
Angst- und affektive Störungen: Warum? Sieben Hypothesen und ihre Bewertung
Johan Ormel, Paul M.G. Emmelkamp
Normale Kaubewegungen sind nicht besonders kraftvoll.
Sie bewirken jedesmal nur einen kleinen Druck, der die winzigen Zellen, Blutgefässe und Drucksensoren in den
Kaumuskeln, an den Zahnwurzeln und in den Kiefergelenken nur wenig verpresst.
Im Normalfall folgt nach einer Sequenz solcher Kaubelastungen die Ruheschwebe, in welcher die Muskeln, Zähne
und Kiefergelenke unbelastet bleiben und sich die motorischen Nervenendigungen und Blutgefässe von den Verpressungen
erholen können.
Andauernde Bewegungen lassen den Muskeln keine Zeit, die Moleküle in den Muskelfasern zu reparieren.
So entstehen bei zerrissenen Aktin-Fasern winzige Entzündungen, die den Muskel anschwellen lassen.
Sie bewirken einen schmerzhaften Muskelkater.
In der Ruheschwebe hält man die Zähne 2-8 Millimeter weit auseinander und wird die Durchblutung des Zahnhalteapparates und der Kaumuskeln nirgends gestört. Die Ruheschwebe dauert praktisch den ganzen Tag und die ganze Nacht und wird nur beim Essen und gelegentlich beim Schlucken unterbrochen. Stützt man am Tisch den Kopf auf das Kinn, so wird die Ruheschwebe trotzdem beibehalten, weil dann die Kieferöffner anspannen und verhindern, dass der Unterkiefer auf den Oberkiefer drückt.
Beim Bruxismus fehlt die Ruheschwebe. Die Kaumuskeln machen mit nur kurzen Pausen zahllose kleine Zuckungen und belasten damit die Zähne und Kiefergelenke. Diese Belastungen sind je nach der Geometrie des Gebisses und der Zahnstellung sehr variabel und je nach Charakter des Patienten sehr individuell, von gut erträglich bis ziemlich gross. Sie finden zum Beispiel nur nachts und/oder auch tagsüber statt und betreffen nur den hintersten linken, oder rechten unteren, oder sonst einen Zahn oder eine ganze Gruppe von Zähnen. Zu Beginn der Belastungen werden häufig einige Zähne kaltempfindlich. Beim ausgeprägten Bruxismus hingegen entstehen auch Warmschmerzen und solche, die in die Wangen und zur Stirn ausstrahlen (Migräne), bis ein Zahnarzt vor Verzweiflung eine Wurzelbehandlung macht. Ursache ist die anhaltende Quetschung der Kapillaren im Muskel und in der Wurzelhaut (Desmodont), die nur 0.1 - 0.2 Millimeter dick ist und zwischen dem Zahn und dem Knochen eingeklemmt ist.
Vertikale Belastungen drücken die Wurzelspitze des Zahnes gegen den Knochen. Dort wird die Pulpa mit ihren Temperatursensoren gereizt (roter Punkt). Zuerst entsteht eine Kaltempfindlichkeit, bei hohem Druck auch eine Warmempfindlichkeit.
Alle Muskeln bilden ein Muskelgedächtnis, wenn sie genügend oft trainiert werden. Es entsteht in der Kindheit und hält das ganze Leben. Es bewirkt die automatischen Bewegungen beim Zerkauen (Zunge und Kaumuskeln), Schlucken und Verdauen (Speiseröhre, Magen, Darm), beim Gehen und Stolpern (Beine und Becken) und beim Sport (Arme), beim Schreibmaschinenschreiben und Klavierspielen (Finger) usw. Jedes Muskelgedächtnis ist mit spezifischen Neuronen im Hirn verbunden, also mit bewussten Gedanken, mit Ahnungen, Stress, Schmerz, Kältegefühl, Hunger usw., so auch beim Bruxismus.
Viele soziale Grundlagen beruhen auf motorischen Automatismen mit Muskelgedächtnis.
Man denke zum Beispiel an die averbale Kommunikation. Sie bewirkt eine spezielle Kopfhaltung bei Fragen und Antworten
und macht Dinge wie die
Smileys im PC
überhaupt erst möglich. Sie bewirkt einen spezifischen Gesichtsausdruck mit verschiedenen Stirn- und Augenfalten bei
Freude und Trauer, die Akustik beim Rufen, Sprechen und Flüstern, den klanglichen Ausdruck der Muttersprache usw.
Ein motorischer Tic ist eine übermässig häufige rasche, wiederholte Bewegung ohne erkennbaren Zweck. Die Automatismen der motorischen Tics entstehen am häufigsten im Gesicht und am Kopf.
Beim Tourette-Syndrom zwinkert man zum Beispiel immer wieder so nebenbei mit den Augen, rümpft blitzschnell die Nase oder runzelt die Stirn mittem im Gespräch. Die betroffenen Leute machen manchmal auch auffällig schnelle, etwas hektisch wirkende Kaubewegungen beim Essen.
Beim Bruxismus belasten die Kaumuskeln (als einzige von allen Gesichtsmuskeln) auch die Zähne und Kiefergelenke. Deshalb können die Kaumuskeln auch zu Schmerzen in den Wangen, Zähnen und Kiefergelenken führen. Muskel- und Zahnschmerzen sind oft schwer zu unterscheiden. Wenn ein heisses Tuch auf der Wange wohl tut, ist es eindeutig ein Muskelschmerz, also Bruxismus und nicht Karies. Doch kann das heisse Tuch das Gefühl, ein Zahn sei irgendwie schief, nicht beseitigen. Dazu braucht es einen eher psychotherapeutischen Ansatz.
Der schmerzende Bruxismus kann auch als ein RSI-Syndrom betrachtet werden, das wegen den vielen repetitiven Bewegungen entsteht, so wie der Tennisarm oder die Sehnenscheidenentzündung am Daumen wegen repetitiver Texteingabe am Smartphone. Solche Schmerzen können auch durch einen zu häufigen Druck auf ein Gewebe entstehen, zum Beispiel auf eine Fingerspitze beim Spielen am Handy oder auf einen Zahn beim Bruxen.
Wegen der leichten Entzündung entstehen Muskelzuckungen und Schmerzen sowohl beim kleinsten (Trommelfellspanner im Ohr) als auch beim stärksten Muskel des Körpers (Kaumuskel). Man kann die Zuckungen nicht willentlich verhindern, nur vielleicht indirekt, zum Beispiel durch Ferien oder einen anderen Beruf, Wohnort oder Partner, durch andere Musik oder Spielweise usw. Dabei verschwinden (hoffentlich) der Stress und Druck, die Überbeanspruchung und die leichte Entzündung des Muskels und der Gewebe.
In der Biologie beobachtet man, dass die Säugetiere, die sich von Fleisch ernähren, spitzige Zähne haben, und jene, die sich von Pflanzen ernähren, haben flache Zähne. Sie machen auch verschiedene Kaubewegungen. Ein Wolf beisst in das Fleisch, indem er den Unterkiefer von unten nach oben bewegt, und ein Lamm zerreibt das Gras, indem es den Unterkiefer hin und her bewegt.
Der Mensch kann beide Bewegungen machen. Die Milchzähne und bleibenden Zähne haben zuerst spitzige Höcker. Zwischen den Höckern liegt die Kaugrube als das Kauzentrum, und dieses hat Abflussrillen nach vorne und zur Seite. Mit der Zeit werden die Höcker beim Knirschen abgeflacht und die Abflussrillen eingeebnet. Dies ist bei Milchzähnen normal und erwünscht, damit die oberen und unteren Zähne besser aufeinander passen. Sie werden nach 10 Jahren bis zu 3 mm abgeschliffen. Die bleibenden Zähne sind härter, und ein Knirscher verliert etwa 1 mm Zahnsubstanz pro 10 Jahre.
Bei einer Kompositfüllung muss man diese Elemente der Zahnform rekonstruieren (Kauzentrum, Abflussrillen, enge oder weit offene Höckerwinkel). Je nach der Geometrie der Kaubewegungen entstehen flache Füllungen oder solche mit tieferem Kauzentrum und Abflussrillen.
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.Feste Zähne bei älteren Patienten sind oft durch Reparaturen
und Abnützungen stark umgeformt und werden häufig immer noch mit einer hohen Kaukraft belastet.
Soll bei ihnen ein defekter Zahn eher eine jugendliche Form bekommen?
Oder soll er eher weniger belastet werden, damit er länger hält?
Oder kann der Patient das neuartige Gefühl einer implantierten Porzellankrone gut ertragen?
Solche Fragen gab es früher nicht, und störende Zähne waren selten, weil damals die Zähne früher verloren gingen und junge Menschen einen Zahnverlust gut akzeptieren konnten. In der heutigen Zeit verlangen jung und alt deutlich mehr von den Zähnen wie früher.
Beim Schlaf-Bruxismus spielt das Unterbewusstsein die Hauptrolle. Er bleibt meistens unbemerkt. Aber manchmal spürt man morgens leichte Muskelschmerzen oder hat ein Steifegefühl in den Wangen. Das nehmen die meisten Leute in Kauf. Zu einem Problem wird der Schlaf-Bruxismus erst beim Auftreten von Schmerzen.
Auch der Wach-Bruxismus verläuft oft unbemerkt. Wach-Bruxer haben sich schon als Kind an das stete Spiel mit den Zähnen gewöhnt, und Bruxen gehört zu ihrem normalen Lebensgefühl. Sie werden dann auch "heavy biter" genannt. Die Ursachen sind motorische Automatismen, die gewohnheitsmässig und stressbedingt angetriggert werden.
Einige Wach-Bruxer machen sich eine Bruxismus-Theorie, bei der schlechte Zähne oder ein schlechte Füllung oder Krone an den Problemen schuld sind. Sie meinen, sie müssten die Zähne abändern oder abschleifen, sonst könnten sie nicht mehr richtig essen und würde alles schlimmer. Aber nach jeder Behandlung finden sie ein neues Zahnproblem und knirschen weiter, vielleicht jetzt auf der anderen Seite des Gebisses. Zu den obigen Ursachen entstehen so noch eine Hochsensibilität, Hypervigilanz und Neurodiversität. Normalerweise reagiert man nämlich auf ein neues Kaugefühl wegen einer neuen Füllung oder bei Muskelkater vom festen Beissen mit Zurückhaltung und vorsichigem Kauen. Man will die Störung möglichst rasch vergessen. Aber wer mit starkem trotzigem Zubeissen gegensteuern will, kann die grössten Schmerzen und Unannehmlichkeiten bekommen., Er lässt beim Zahnarzt immer wieder eine Verbesserung machen, besorgt sich zum vermeintlich zahntechnischen Problem fachliche Unterlagen, und macht den Bruxismus bei sich zu einem gedanklichen und gesundheitlichen Schwerpunkt.Motorische Gewohnheiten sind manchmal mit Zwangsgedanken verbunden, ähnlich wie bei Zwangsstörungen (Waschzwang, Kontrollzwang usw.). Die Zwangsmotorik beginnt mit einer Unruhe, die entsteht, wenn man die Bewegung nicht ausführen will (wie beim Drang zur Toilette). Und der Zwangsgedanke lautet zum Beispiel: "Ist der Zahn immer noch zu hoch? Den hab ich früher nie gespürt. Er stört erst seit der neuen Krone. Den muss ich abschleifen!".
Dabei handelt es sich nur um eine Unstimmigkeit von 20-50 µm, und sie ist nur spürber, wenn man in einer speziellen Kieferstellung zusammenbeisst, die beim Essen gar nicht vorkommt. Sie würde auf ganz natürliche Weise in kurzer Zeit von selber unauffällig, weil man in der Ruheschwebe die Zähne überhaupt nicht zusammenbeisst und die Zahnkontakte nicht spürt.
Eine so kleine Unstimmigkeit kann bei manuellen Arbeiten durchaus vorkommen. Ein Zahnarzt kann sie nur durch mehrfache, geduldige Kontrollen suchen gehen, zufällig finden und dann durch ein minimales Einschleifen beheben. Aber in jeder Kieferstellung entstehen wieder andere Einzelkontakte und Vorkontakte.Die Wahrnehmung der Zahnkontakte ist eine hochpräzise Sinnesleistung. Und die tägliche hundertfache Wiederholung ist ein hochpräzises Sinnestraining, das die Hirnstruktur verändert. Für Menschen ohne Ruheschwebe ist Hochsensibilität eine Normalität. Sie kann sich auch zu anderen hochsensiblen Gewohnheiten und zu einer gedanklichen und sinnlichen Neurodiversität entwickeln. So hat die überdurchschnittliche Aufmerksamkeit gegenüber den Zähnen eine Analogie zum Beispiel in der überdurchschnittlichen Aufmerksamkeit eines Musikers auf eine Tonfolge oder auf den Rhythmus einer Melodie, welche alle Muskelketten in seinem Körper erfasst. Die Veränderungen im Gehirn solcher Musiker sind messbar, und man spricht vom Musikerhirn. Bei ihnen ist das Gehirnareal für das Hören deutlich vergrössert. Bei Bruxern hingegen ist das somatosensorische und motorische Areal für körperliche Gefühle und Bewegungen vergrössert.
Bei den meisten Menschen bewirkt ein Zahnverlust ein vorsichtiges Sich-an-die-Zahnlücke-Gewöhnen. Dabei wird vorsichtiger gekaut und eventuell auch die Ruheschwebe öfters eingenommen. Aber es entsteht keine Angst, dass man wegen der Zahnlücke nicht mehr essen kann.
Bei Kindern zum Beispiel, die eine kieferorthopädische Behandlung kriegen, wird häufig ein Zahn gezogen. Danach entstehen kaum je Knirscherschmerzen.
Und eine 92-jährige Italienerin hatte nur noch einen einzigen Zahn im Oberkiefer. Sie ist trotz Zahnverlust und Zahnlücken immer zufrieden geblieben und sagte mir ganz einfach:
Bruxismusschmerzen können in jedem Alter entstehen. Wenn zum Beispiel eine 80-jährige Bruxerin, die nie Knirscherschmerzen hatte, den hintersten Molaren wegen Karies verliert, kann sie auf den verbliebenen Zähnen plötzlich Bruxismus-Schmerzen bekommen, weil der extrahierte Zahn jetzt nicht mehr hilft, den Kaudruck aufzufangen, und die verbliebenen Zähne ohne ihn mechanisch überlastet werden.
Und umgekehrt ist die Ruheschwebe in jedem Alter hilfreich, so zum Beispiel auch bei einer Bisshebung mit dem Dahl-Prinzip bei Erwachsenen. Dabei wird der gesamte Kaudruck auf die Frontzähne verlagert, die deshalb langsam (innert 3 bis 6 Monaten) in den Knochen hinein gedrückt werden. Und dies ohne Schmerzen, sofern der Patient eine Ruheschwebe hat und nicht dauernd versucht, die Zähne selber an den richtigen Ort zu drücken. So würde ein schmerzhaftes RSI-Syndrom entstehen (siehe oben).
Im Gespräch mit einem Bruxismus-Patienten über seine störenden Zahnkontakte fallen zunächst die starken Emotionen auf. Sie sind wegen der langen Dauer der Zahnschmerzen und den bisherigen enttäuschenden Zahnarztbesuchen gut verständlich. Und es leuchtet auch die Kritik an den früheren zahnärztlichen Arbeiten ein. Aber ob wirklich nur ein zahnärztliches Problem vorhanden ist, das fragt man sich wegen folgenden Beobachtungen:
Eine Denkstörung könnte vorhanden sein, wenn jemand zum Beispiel
Medikamente werden nicht gerne eingenommen. Aber wenn ständig starke Emotionen entstehen, können diese das Denken erschweren, Missverständnisse verursachen und das Leiden des Bruxismus verlängern. Dann ist es sinnvoll und ratsam, einmal ein Beruhigungsmittel zu versuchen. Die SSRI sind wirksam, müssen aber von einem Psychiater verschrieben werden. Sie wirken vielleicht erst nach ein paar Wochen, verbessern aber die Stimmung und könnten sogar Mut machen zu einer Physiotherapie, um auch die muskuläre Verkrampfung des Bruxismus zu vermindern.
Das Phantombiss-Syndrom dauert bei etwa 40% der betroffenen Patienten mehr als 5 Jahre lang.
Der Drang zum Beissen ist etwa so kräftig wie der Drang, wenn man auf die Toilette muss. Nur entsteht beim PBS der Drang zum Beissen sofort wieder von Neuem, wie bei einer Zwangsstörung.
Eine genaue Beschreibung ist hier:
Phantom bite syndrome: Revelation from clinically focused review
von Tu TTH et al. (2021)
Wenn Patienten knirschen, pressen oder den ganzen Tag über immer wieder auf die Zähne beissen, dann führt dies unweigerlich zu Schmerzen. In der Nacht hilft eine Knirscherschiene (vorzugsweise eine FOS). Am Tag kann man mit der Anwendung eines neuronalen Ankers selber etwas dagegen unternehmen. Diese Methode wurde schon von vielen unserer Patienten erfolgreich angewendet.
Es werden kleine (ca. 5 mm Ø) runde Aufkleber (Kopfform) als neuronale Anker verwendet. Die Aufkleber können aber auch grösser und in der Lieblingsfarbe sein. Wichtig ist, dass eine positive Verbindung zu der zu verändernden Haltung hergestellt wird. Der Patient wird gefragt, welches Zeichen für ihn oder sie am besten wäre um die Ruheschwebe der Zähne zu symbolisieren. Zum Beispiel ein lachendes oder lächelndes Gesicht (beim Lachen sind die Zähne auseinander), oder wenn man bei geschlossenen Lippen ein o formt (die Zähne sind auseinander). Dann wird das entsprechende Gesicht auf die Kleber aufgemalt. Zwei Punkte für die Augen, eine für die Nase und dann ein o oder einen lachenden Mund.
Danach kommt die wichtige Verbindung zwischen Kleber anschauen und Wirkung. Die Patienten erfinden selber einen Satz, der sie beim Anblick des Klebers daran erinnert, die Zähne auseinander zu halten, also in der Ruheschwebe zu halten. Auf keinen Fall sollte der Satz lauten: Zähne nicht zusammenbeissen. Das letzte Wort ist auschlaggebend für den erwünschten Gedanken. Also besser ist: Zähne offen lassen oder lächeln.
Nun kommt die Instruktion, mehrere dieser Kleber zu basteln und überall dort zu platzieren, wo man oft hinschaut. Also mindestens: auf die Uhr, das Handy, den PC, Fernbedienung, Kühlschrank, an den Spiegel im Badezimmer/WC, Lenkrad usw. Je mehr, desto wirkungsvoller.
Wenn die Patienten also z.B. auf das Handy schauen und den Kleber bewusst (mit der Zeit unbewusst) sehen und an den Satz „lächeln“ oder „Zähne offen lassen“ erinnert werden, dann wird ihnen bewusst gemacht, dass sich die Zähne in der Ruheschwebe befinden sollen und sie machen es sogleich. Je öfter, sie also daran erinnert werden, desto wirkungsvoller ist es.
Eine Veränderung kann mehrere Wochen dauern. Ein Patient machte den Vorschlag: wenn ich mich an die grünen Kleber gewöhnt habe, dann kaufe ich orange Kleber, damit sie den Effekt weiter herbeiführen können.
Je nach Schweregrad des Knirschens/Pressens/Zähne-immer-wieder-Zusammenbeissens kann der Erfolg einer Umgewöhnung z.B. auch mit autogenem Training, einem regelmässigen Entspannungstee oder Psychotherapie noch zusätzlich unterstützt werden.
Es gibt viele Trigger, die einen Reflex zum Beissen, Knirschen oder Nagen auslösen.
Das kann eine Michigan-Schiene sein (obwohl sie das Knirschen verunmöglicht, fördert sie manchmal das Pressen),
der Druckknopf eines Kugelschreibers, ein störender Zahnhöcker,
eine Rauhigkeit auf einer Kaufläche, eine Hautschuppe auf der Lippe usw.
Bei Kindern mit vorstehenden Zähnen kann ein
Bad Habit entstehen, wenn sie mit der Unterlippe die oberen Frontzähne
spüren und dann beginnen, die Zähne nach vorne zu schieben. So kann eine Zahnfehlstellung entstehen, die eine Behandlung nötig
macht. Gleich häufig sind Kinder, die ihre Fingernägel abnagen oder am Daumen lutschen. Auch diese beiden Bad Habits
können eine kieferorthopädische Behandlung erforderlich machen.
Es gibt zahlreiche Apps und Hilfsmittel, Kurse, Fortbildungen und Therapien gegen schlechte Gewohnheiten jeglicher Art.
Bei den ERP-Techniken hält man zum Beispiel die Zungenspitze 5 Sekunden lang an das Gaumendach. Dabei sind die Zähne ein wenig auseinander und bleiben die Lippen geschlossen. Danach kontrolliert man, ob alles gut gegangen ist. Diese Kontrolle der Harmlosigkeit der gebogenen Zungenspitze wiederholt man jede halbe Stunde. Die Absicht ist, sich so den Beissreflex abzugewöhnen. Noch bessere Tips für die individuellen Umstände in dieser Richtung kann natürlich eine physiotherapeutische Fachperson vermitteln.
Magnesium beruhigt die Muskulatur. Bedenke: Stress, Zucker und Koffein erhöhen den Magnesiumbedarf.
Botox-Injektionen wirken zwei bis drei Monate, dann muss man sie wiederholen.
Ein heisser Umschlag auf der schmerzen Wange verbessert die Durchblutung und vermindert den Schmerz sofort auf eine wohltuende Weise.
Einen Korkzapfen über die schmerzende Wange rollen tut gut und massiert den Kaumuskel.
Die FOS-Schiene stoppt den Bruxismus sofort. Sie ist rechts im Bild sichtbar (gelblich) und hält die hinteren Zähne auseinander. Nun befinden sie sich ob man will oder nicht "in der Ruheschwebe" und können sich erholen.

Kaugummi-Verbot: Der Kaugummi trainiert die Kaumuskeln, statt dass diese ruhig bleiben. Er ist wie ein Trigger, der das Kauen auslöst und die Ruheschwebe verhindert.
Ein guter Ratgeber gegen Muskelverkrampfungen und Zähneknirschen ist hier: www.liebscher-bracht
Psychotherapie kann helfen gegen Stress, Ehrgeiz, ein zu leistungsorientiertes Leben usw.
Medikamente: kurzfristig können Schmerzmittel und Muskelrelaxantien eingenommen werden. Aber langfristig sind die obigen Techniken besser als Medikamente.

Es ist eine eigene Kunst, Porzellankronen mit Komposit zu reparieren. Dazu kann man wie in diesem Fall das Porzellan mit vielen mechanisch wirkenden Retentionsrillen aufrauhen. Diese sind nötig, weil das Komposit am Porzellan nicht so gut klebt.

74-jährige Patientin (03.10.2024 / 7938)
Bei diesem Fall besteht das Kauzentrum aus den Implantat 3-i, den vier schwächsten Zähnen 21-12 und einem wurzelbehandelten Eckzahn -3. Diese beissen und kauen gegen eine lange Kompositbrücke mit Drahtverstärkungen (siehe hier)
Nach einem Jahr ist beim Implantat +2i die Kompositfacette abgesplittert. Komposit klebt halt nicht am metallenen Implantat-Sekundärteil. Deshalb wurde die Haftung mit einem zusätzlichen queren Draht und mit einem um Draht und Implantat herumgewickelten Ligaturendraht verbessert.

78-jähriger Patient (30.09.2025 / 996)
Dieser Zahn war immer unauffällig. Er hatte keine grosse Füllung und auch keine Wurzelbehandlung. Trotzdem ist er plötzlich zerbrochen.

85-jährige Patientin (30.06.2025 / 1259)
Bruxismus, Zigaretten und die schwierige Mundhygiene sind schuld an den Misserfolgen.

79-jährige Patientin (10.07.2025 / 6563)
Das kräftige Beissen hat trotz einer Knirscherschiene diesen Prämolar beim Zahnhals querfrakturiert obwohl er vital und kariesfrei ist.
Porzellan- und Goldkronen sind nicht elastisch wie die Zähne sondern starr, so dass sich die Querkräfte alle am Kronenrand beim Zahnhals auswirken. Dieser Zahnhals hat den Querkräften gewiss 30 Jahre lang stand gehalten.

72-jähriger Patient (06.01.2025 / 8010)
Dies ist ein wurzelbehandelter Prämolar mit einer Porzellankrone. Er ist ebenfalls kariesfrei. Aber wegen der Wurzelfüllung bricht er schneller ab als ein Zahn mit lebendem Nerv.
Man bedenke: ein Bruxismus dauert jahrzehntelang. Es entstehen also sehr viele Überlastungen. Aber im hohen Alter können dann solche Frakturen entstehen.