W. Weilenmann
Dr. med. dent.
Walter Weilenmann
eidg. dipl. Zahnarzt
dipl. Natw. ETH

Mitglied SSO, SSGS
und SSO-Zürich.

Die Formenvielfalt der Kauflächen

Das Gebiss verändert seine Form kontinuierlich und meistens unmerklich.
Abrasion
Inzisale Knirschfacetten an den Eckzähnen
56-jährige Patientin (27.11.2023 / 1109)

Die Veränderungen entstehen wegen der Kaukraft und sind bei einem Heavy biter am deutlichsten sichtbar. Eine hohe Kaukrauft schleift von den Zähnen etwa einen hundertstel Millimeter pro Monat ab. Dadurch entstehen mit der Zeit okklusale und inzisale Knirschfacetten sowie ein Gruppenkontakt. Er vermindert die Überlastung einzelner Zähne und ist deshalb ein natürlicher Schutzmechanismus.

Gewisse Formen der Abnützung verursachen jedoch Fehlbelastungen, Empfindlichkeiten und Schmerzen. Man kann sie weder auf dem Röntgenbild sehen noch irgendwie messen. Einige kann man mit dem Farbband markieren, aber andere kann man nur mit solchen Überlegungen zur Kaumechanik herausfinden:

  1. Kaltempfindliche Zähne weisen auf eine zu hohe Kaukraft oder zu hohe Kaufläche.
  2. Breitflächige Nahkontakte verursachen auch Kauschmerzen. Sie werden nur sichtbar, wenn man den Patienten auf vier Lagen Farbband beissen lässt.
  3. Fehlende Kontakte bei einem Zahn verursachen eine Mehrbelastung des nächsten Zahnes.
  4. Abflussrillen vermindern die Zahnbelastung, weil sie die Kontaktpunkte verkleinern und diese dann das Kaugut zerschneiden und nicht nur flach pressen.
  5. Die freedom in centric soll Mahlbewegungen in der Mitte eines Molaren nach links, rechts und nach vorne ermöglichen.
  6. Tiefe Furchen resp. lange Höcker sind gefährlich weil sie zu Ermüdungsfrakturen führen können.
  7. Kontakte auf der Balanceseite können als Hyperbalancen ein Kiefergelenk stören.
  8. Eine flache Vorgleitbahn verhütet, dass Spalten zwischen den Zähnen entstehen, in denen sich Speiseresten verfangen.
  9. Und schliesslich entsteht ein Speiserestenfänger, wenn ein spitziger Höcker genau zwischen zwei Gegenzähne zielt und diese auseinander drückt.
Fehlbelastete Kauflächen

Leitsymptome:

  • Kaltempfindlichkeit
  • Zahnschmerzen beim Kauen
  • störendes Kaugefühl
  • eingeklemmte Speiseresten
  • Ursachen:

    − Abrasion wegen Knirschen
    − Erosion wegen Säuren
    − Überlastung wegen hoher Kaukraft
    − Hebelwirkung bei tiefer Verzahnung
    − Elongation bei Zahnlücke oder mangels Kaukraft
    − Kronen aus Keramik mit falschen Kauflächen.

    Therapien:

  • Anfärben und Einschleifen von Vorkontakten
  • Ansetzen von Komposit bei Infraokklusion
  • Schiene gegen Knirscherschmerzen
  • Inhalt:


    Natürliche Kauflächen

    10UK14_7644.jpg
    Alle Zähne sind unversehrt und es gibt keine einzige Füllung oder Abnützung.
    Kauflächen in der Jugend

    14-jähriger Patient (21.09.2022 / 7644)

    Dies ist ein sehr schönes, kariesfreies Gebiss. Es ist typisch in der heutigen Schweiz.

    vor 1960: Damals konnte niemand die Zähne gut putzen, und niemand wusste, dass Zucker gefährlich ist. Fast jedes 14-jährige Kind hatte ein Dutzend Amalgamfüllungen. In der Folge bekamen sie Kronen, Wurzelbehandlungen, Stiftzähne, Teilprothesen und Implantate. Damals war bei allen Patienten die Karies das Hauptproblem.

    nach 1960: Um 1960 begann die Schulzahnpflege. Deshalb nahm die Karies ständig ab, und heute sind etwa 75% der Kinder kariesfrei.

    2010: Die Zahnarztpraxen im Kanton Zürich sind durchschnittlilch nur noch zu 80% ausgelastet.

    2023: Etwa 30% der 35-jährigen Patienten haben keine Karies, sogar schon einige 50-jährige sind kariesfrei. Bei älteren Menschen kann Karies unter Kronen und unter dem Zahnfleisch entstehen. Diese eher schwierigeren Fälle sind das Hauptproblem der Zahnheilkunde geworden.


    20UK35_8413.jpg
    Zwei schiefe Ebenen fallen auf: es sind Hyperbalancen bei 7-6. Eine Füllung ist zu klein (rechts zuhinterst). Deshalb entsteht beim Nachbarzahn -6 ein hoher Druck.
    Kauflächen bei jungen Erwachsenen

    33-jährige Patientin (11.04.2023 / 8413)

    Das einzige Problem ist der Zahn -7 (im Bild rechts zuhinterst), auf dem die Patientin seit 4 Jahren nicht mehr kauen kann. Der Zahn gegenüber im Oberkiefer (+7, nicht sichtbar) hat auch eine solche weisse Füllung. Beim Essen entsteht immer ein Blitzschmerz, aber der Zahn ist nicht zu hoch. Ihr Zahnarzt hat ihn mehrmals eingeschliffen.

    Die Kaufläche von -7 ist flacher als alle anderen und sie hat keine Abflussrillen. Es besteht der Verdacht eines breitflächigen Nahkontaktes.

    Zudem haben 7-6 je eine Hyperbalance auf einer steilen Höckerwand (blau angefärbt). Besonders der Höcker bei 7- (im Bild links zuhinterst) erfährt bei jedem Biss eine Querkraft nach aussen. Sie könnte dazu führen, dass der Höcker in einigen Jahren abbricht. Er sollte also prophylaktisch abgeflacht werden.

    Der Kauschmerz bei -7 konnte durch Einschleifen von Abflussrillen zur Beseitigung des breitflächigen Nahkontaktes zu +7 rasch und einfach beseitigt werden.


    25UK43_8607.jpg
    Kariesfreies Gebiss mit wenig Knirschfacetten aber mit einer schiefen Ebene bei 6-, welche eine schmerzende Hyperbalance ist.
    Kauflächen im mittleren Alter

    43-jährige Patientin (29.11.2023 / 8607)

    Die Patientin hat keine Füllung, keine Karies und keine Zahnfleischentzündung und trotzdem schmerzt der 6- (roter Pfeil) manchmal etwas. Und neuerdings schmerzt manchmal der 6+ (blauer Pfeil). Beim Essen und nachts schmerzt nichts. Weshalb?

    Hyperbalance 6+

    Der 6- hat zwei Farbpunkte: der vordere auf der Höckerspitze ist harmlos, aber der hintere liegt auf einer schiefen Fläche, dem inneren Höckerabhang.
    Das ist eine Hyperbalance und musste eingeschliffen werden.


    30UK65_1192.jpg
    Heavy biter: es fehlen alle Höcker und die Schneidekanten sind abgenützt.
    Aber die Patientin hat nur vier Füllungen.
    Kauflächen im fortgeschrittenen Alter

    64-jährige Patientin (07.11.2022 / 1192)

    Die Patientin hat eine Füllung aus Amalgam und drei aus Komposit. Sie kam in den letzten 30 Jahren nur 5 mal zum Zahnarzt und ging 8 mal zur Dentalhygienikerin.

    Status

    Weil sie knirscht fehlen alle Höcker und hat sie immer wieder etwas Knirscherschmerzen bei den Kaumuskeln und kaltempfindliche Zähne. Aber da wollte sie nie etwas dagegen machen.


    40UK88_5387.jpg
    Heavy biter: 1-1 sind am meisten abgeschliffen (rote Pfeile), weil sie gegen Porzellankronen beissen.
    Kauflächen im hohen Alter

    88-jährige Patientin (07.09.2022 / 5387)

    Dieses Gebiss ist ganz anders als die oberen vier, weil die Patientin noch keine Schulzahnpflege hatte.

    Status

    Es hat eine Amalgamfüllung, vier Kompositfül­lun­gen, sechs Porzellankronen, eine Implantatkrone und eine Porzellanbrücke. Die Frontzähne 321-123 sind abradiert und erodiert. 1+1 sind Porzellan­kronen. Sie haben die natürlichen Schneidekanten von 1-1 besonders stark abradiert.

    Porzellankronen schleifen natürliche Zähne doppelt so schnell ab.


    Keramische Kauflächen

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    Maximal invasive Zahnmedizin, nur punktuelle Kontakte, keine freedom in centric, die Brücken und Implantate verunmöglichen die natürliche Optimierung der Kauflächen.
    Kauflächen aus Zirkon auf Brücken und Implantaten

    37-jähriger Patient (16.11.2023 / 8596)

    Dieser Patient hat seit 7 Jahren Zahnschmerzen. Anfangs sollten einige Porzellankronen und dann Wurzelbehandlungen helfen. Dann hiess es, diese seien giftig. Es folgten Extraktionen, Implantate und Brücken. Doch die Schmerzen sind immer noch da.

    FR

    Das Problem: der Patient möchte einen zentrischen Gruppenkontakt, spürt aber nur einzelne punktförmige Kontakte. Geplant ist eine Korrektur mit Komposit.


    60UK42_1871.jpg
    Zahnschädigende Essgewohnheit seit der Jugend.
    Kauflächen eines Fructariers

    41-jähriger Patient (22.08.2022 / 1871)

    Der Patient hat schon immer viele Früchte gegessen. Mit 23 Jahren war der Schmelz bei allen Kauflächen bis ins Dentin abgesäuert, weshalb eine Bisserhöhung mit Komposit gemacht werden musste.

    Jetzt, also 20 Jahre später, sind neue Erosionen zu sehen, und zwar genau dort, wo das Komposit bei der Bisserhöhung die Kauflächen nicht abgedeckt hat, nämlich bei 6- und 5- (links im Bild).

    Zudem hat der Weisheitzahn -8 wegen Karies ein unrettbar tiefes Loch bekommen (im Bild rechts hinten). Dort hinten hat die Zahnbürste den Zahn wohl kaum gefunden. Der Patient hat sonst noch nie in seinem Leben eine Karies bekommen. Offenbar ist bei vielen Früchten nicht der Zucker das Problem, sondern die Fruchtsäure.


    70UK67_475.jpg
    Heavy biter
    Kauflächen einer Bruxerin

    66-jährige Patientin (12.07.2023 / 475)

    Die Patientin kaut und knirscht sehr kräftig. Deswegen sind alle Zähne niedriger geworden, werden immer wieder Speiseresten zwischen die Zähne oder gegen das Zahnfleisch gedrückt, bricht immer wieder mal eine Ecke von einer Kompositfüllung ab, entstehen Wangenschmerzen und bekam sie deswegen Wurzelbehandlungen, worauf diese dann zu knirscherbedingten Wurzelfrakturen und dann Extraktionen nötig machten...

    Status

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    Wenig Knirschen, aber viel Karies und entsprechend viele zahnärztliche Eingriffe.
    Kauflächen nach vielen Behandlungen

    70-jährige Patientin (24.08.2023 / 6728)

    Weder stören die fehlenden Molaren -67 noch das Amalgam auf 76-. Die Porzellankronen 54- sind stark belastet, weil die Gegenzähne 65+ auch Kronen sind. Sie schmerzen nicht, weil 6+ wurzelbehandelt ist (blauer Pfeil).

    In dieser Altersgruppe sind verschiedenartige und lückenhafte Kauflächen häufig und funktionieren meistens schmerzfrei.

    OK

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    Immer wieder Karies und viele invasive Zahnbehandlungen sind wohl der Grund für diese Zahnlosigkeit.
    Kauflächen im hohen Alter

    90-jährige Patientin (11.08.2023 / 432)

    Die Patientin stammt aus gutem Haus und hat früher sehr viele Zahnbehandlungen bekommen. Trotzdem hat sie einen Zahn nach dem anderen verloren. Seit etwa 40 Jahren hat sie oben eine Vollprothese und unten nur noch die Frontzähne 321-123 mit einer Goldkrone auf 3- und einem Druckknopf auf -3. Der dunkle Fleck hinter dem Druckknopf ist ein Amalgam-Tattoo. Dieses ist wahrscheinlich beim Entfernen einer Amalgamfüllung entstanden.

    Sie kann seit fünf Jahren nicht mehr abbeissen und kauen, denn die Totalprothese im Oberkiefer kippt beim Abbeissen ab, und die untere Teilprothese schmerzt beim Kauen und kippt beim Draufbeissen weg. Die Patientin ist jedoch mit den schmackhaften weichen Menus und Suppen im Altersheim ganz zufrieden.

    Im Senilium nehmen Stress, Kaukraft und der Wunsch nach Schönheit ab. Dann können auch zahnlose Menschen glücklich sein!

    Copyright © 2024 Icon W. Weilenmann
    erstellt: 26.11.2023 - 10.10.2024