Klassische Infektionen wie Tuberkulose, Tetanus usw. entstehen wegen frei herumschwimmenden Bakterien. Sie können mit Antibiotika bekämpft werden.
Karies, Parodontitis, Pulpitis und Wurzelentzündungen entstehen hingegen durch Biofilme. Da nützen Antibiotika nichts, und die Krankheiten sind chronisch und unheilbar.
Weshalb können wir Biofilme nicht entfernen? Und was kann die Zahnmedizin nun tun?
Alle Biofilme entlassen periodisch begeisselte Bakterien (swimmers). Sobald sie aus der Wurzel herausschwimmen, entsteht eine apikale Parodontitîs. Sie ist nie selbstheilend, sondern eine notwendige Immunantwort auf die swimmers. Der Biofilm findet die feinsten Verästelungen der Pulpa, sodass man ihn nicht vollständig entfernen kann.
Gegenwärtig wird empfohlen, den Biofilm so zu entfernen:
Wurzelkanalinstrumente können nur etwa 60% der Kanalwände erreichen, welche Techniken man auch immer benutzt (Huebscher et al 2003, Peters et al 2001/2003). 2005 fanden Nair et al. Biofilme auch nach mehrsitzigen Behandlungen, und zwar in den
Trotz der unperfekten Reinigung sind die meisten Wurzelbehandlungen erfolgreich, weil:
Granulome können aus folgenden Gründen persistieren:
Anmerkung: Erfahrungsgemäss kann ein symptomloses Granulom nach einer Wurzelbehandlung einige Jahre später noch ausheilen. Dabei kann die Wurzelspitze durch Dentinoklasten resorbiert werden.
Da Wurzelbehandlungen wahrscheinlich immer technisch unvollkommen bleiben werden, kommen moderne mikrobiologische und zellbiologische Lösungen in Betracht. Die Bakterien in den Biofilmen scheinen wichtige gemeinsame Eigenschaften zu haben (Abbildung 3).
Schnell wirkende, dünnflüssige, tief einwirkende und gut verträgliche Microbizide helfen, den Biofilm zu kontrollieren. Biofilme sind jedoch 1000 mal robuster gegen Mikrobizide als einzeln herumschwimmende Bakterien. Und Achtung: Die Matrix ist voller abgestorbener Bakterien und ihrer Gene, weshalb Resistenzbildungen durch Genaustausch geschehen. Aus diesem Grund wirken Penicilline immer schlechter. Seit etwa 10 Jahren wirken Amoxicillin mit Clavulansäure besser ( (C. Rostetter et al. 2017).
Im Biofilm kommunizieren die Bakterien durch chemische Signale: quorum sensing. So erfahren sie die Grösse und Zahl der Organismen im Biofilm. Bei unkritischen Werten werden aggressive Gene stillgelegt (Fire et al. 1998, Nobelpreis 2006). Dabei inaktivieren gewisse Moleküle die mRNA eines Gens, sodass dessen Protein nicht mehr entsteht. Diese Steuerung geschieht ohne chromosomale oder mutagene Veränderungen.
Durch ‘cut and paste’-Verfahren (Komiyama 2013) können neuerdings Gene gezielt modifiziert werden. Dadurch tun sich sehr viele neue Möglichkeiten auf, z. Bsp. die Matrix aufzulockern usw.
Auch wenn einzelne exstirpierte Zähne revascularisieren (Lin et al. 2013), kann ein verbliebener Biofilm "wie ein Elefant im Porzellanladen" einen späteren Misserfolg verursachen (Lin et al. 2014).
Die Zukunft der Zahnmedizin scheint nicht in Prothesen, Implantaten und regenerierten Zahnnerven zu liegen. Vielmehr zeichnet sich ab, dass neue, gesunde dritte Zähne die defekten ersetzen werden! Der Weg dazu führt über Stammzellen:
Der ganze Biofilm besteht aus Gram-positiven, von Filamenten umgebenen Organismen. Diese Einheitlichkeit macht Biofilme im Prinzip zu einem aussichtsreichen gentechnischen Ziel.
Bakteriophagen sind Viren, die Bakterien angreifen. Sie sind äusserst zahlreich und in der ganzen Natur verbreitet. Auf jedem Bakterium kleben etwa 100 Bakteriophagen (Häusler und Kühn, 2022) und versuchen, in das Bakterium einzudringen. Im Bakterium drin vermehren sie sich nur, wenn sich die Bakterien vermehren. Im Prinzip könnte man Bakteriophagen gegen gram-positive Bakterien anstelle von Antibiotika eine gewisse Zeit lang in die befallenen Wurzelkanäle einschliessen.