Das Motiv zu dieser Seite ist die Reaktion eines Professors an einem Endodontologie-Kongress auf meine Frage,
ob Wurzelfüllungen zu Zahnfrakturen führen. Ich erwartete eine Liste von verdächtigen Wurzelfüllmaterialien.
Er meinte aber nein, weil er einmal gehört habe, dass in China bei einem Patienten ein gesunder Zahn durch die blosse Kaukraft zerbrochen sei.
Da war ich sprachlos vor so viel Unerfahrenheit und vor der engen Bindung an einen wissenschaftlich belegten Einzelfall.
Denn Wurzelfrakturen nach Wurzelfüllungen sind recht häufig, bei gesunden Zähnen hingegen äusserst selten.
Vielleicht kann ich mit dieser Seite das Geheimnis der Wurzelfrakturen lüften helfen. Was ich unterdessen herausgefunden habe: Dentin schrumpft deutlich und rasch, wenn es trocken wird. Die Wurzelfüllung mit Guttapercha und AH Plus schrumpft hingegen nicht. Wird das Dentin wieder feucht, so quillt es wieder auf.
Zähne an der Luft trocknen aus. | Trocken aufbewahrte Milchzähne zerbröckeln oft von selbst. |
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Der Körper wird trockener. | Der durchschnittliche Wassergehalt sinkt von 80% (Neugeborene) auf 60% (Greise). |
Es gibt rasche Austrocknungen. | Weicher Stuhl enthält 80% Wasser (Stuhlgang alle 1-2 Tage). Harter Stuhl enthält nur 60% Wasser (Stuhlgang alle 3-6 Tage). |
Wäre eine Wurzelfüllung besser, die das Dentin feucht hält oder gleich schrumpft wie Dentin?
Zahn 24, 67-jährige Patientin (19.12.2016 / 2002)
Anamnese:
Vor 1990:
Wurzelbehandlung und VMK-Stiftkrone
20.7.2000:
Krone luxiert und mit Ketaczem rezementriert.
29.10.2001:
Krone ersetzt: Sy/Te und T3-Stift/Phosphatzement
06.06.2016 Haarriss: Der Zahn hat bukkal einen Haarriss, ohne dass ein Unfall oder sonst etwas Ungewöhnliches passiert ist. Zusätzlich ist eine Fistel und eine 1 cm tiefe Tasche vorhanden. Da der Zahn nicht wesentlich schmerzt, möchte die Patientin abwarten.
19.12.2017 Fraktur: 18 Monate später hat sich der Haarriss zu einem Spalt verbreitert.
9:45 Uhr Frisches Schnittbild Der Zahn wurde herausgezogen, quergeschnitten und trocken auf dem Tisch aufbewahrt. In der bukkalen Wurzel sieht man die Querfraktur und einen Mooser-Stift. Der Spalt berührt den Mooserstift nicht. Die palatinale Wurzel ist nicht gespalten. In der Mitte war ein Guttaperchastift. Die Spaltbreite nimmt von innen nach aussen zu.
13:51 Uhr 4 Stunden später: Der Spalt ist grösser geworden ohne irgendwelchen Einwirkungen.
Zahn 12, 81-jährige Patientin (07.03.2018 / 4747)
Der Phosphatzement rund um die Schraube (Wirz-Schraube aus Syntacoben, eingesetzt am 25.5.2010) ist nicht verfärbt. Es scheint keine Korrosion beteiligt zu sein.
Der Frakturspalt liegt quer zur Kaubelastung (Pfeil). Die Schraube steckt in der bukkalen Wurzelhälfte. Als ob der Kaudruck die bukkale Wurzelhälfte von der palatinalen abgedrückt hätte.
Die Fraktur geht genau durch die beiden dünnsten Stellen des Wurzelkanals.
Zahn 45, 80-jähriger Patient (17.03.2016 / 1338)
Anamnese:
35: Stiftkrone vor 1987. Wurzelfraktur 1994.
45: Wurzelbehandlung 2011. Wurzelfraktur 2016.
Das Spezielle an dieser Wurzel ist, dass sie kaum verfärbt ist.
Wurzel 25, 62-jährige Patientin (01.06.2021 / 8027)
Anamnese:
25(26)27: ca. 1980 VMK-Brücke UNI Basel
25: 2021 Wurzelfraktur
Das Spezielle an dieser Wurzel ist, dass sie erstens nicht verfärbt ist und zweitens, dass die Querkräfte wegen der Brücke auf zwei Zähne verteilt und deutlich abgeschirmt worden sind.
Die Patientin ist eine starke Knirscherin. Offenbar sind die erhöhte Knirschbelastung und die Dentinversprödung nach der Wurzelbehandlung nach 40 Jahren verantwortlich für die Fraktur.
Zahn 35, 66-jähriger Patient (08.01.2018 / 1317)
Anamnese: 35: Wurzelbehandlung 1994.
links oben: der typische Haarriss beim Zahnhals.
Röntgenbild: die typische Aufhellung seitlich der Wurzel, nicht am Apex.
rechts: selten: zugleich Längs- und Querfraktur. Offenbar war die Wurzel sehr spröde. Die Verfärbung begann am Zahnhals und breitete sich zum Apex aus, welcher noch nicht verfärbt ist. Und sie scheint vom Wurzelkanal aus in die Dentintubuli hinein zu diffundieren.
Diffusion in die Dentintubuli:
Zahn 17, 62-jährige Patientin (11.11.2016 / 6841)
Anamnese: ca. 2010 Hemisektion, Stiftkrone auf pal. Wurzel. 2016 Wurzelfraktur
Zahn 25, 71-jährige Patientin (14.04.2015 / 1038)
Anamnese: Der Zahn wurde vor 1986 a.l. wurzelbehandelt. 1989 kürzte ich ihn anlässlich der Protheseneingliederung und bedeckte ihn mit Syntac® und Tetric®. Seither diente er als Stütze der Vollprothese. Vor wenigen Tagen haben sich die Gingiva rundherum schmerzhaft entzündet und herpesähnliche Bläschen gebildet.
Längsriss: Nach der Extraktion kam dieser Längsriss zum Vorschein.
Dehnung mit 150g: Die Pinzette wirkt etwa mit 150 g öffnend. Die Wurzel verbiegt sich elastisch.
Dehnung mit 300g: Zwei ineinandergreifende Pinzetten biegen die Wurzel noch mehr auf - immer noch elastisch!
Bruch bei 400g:
Mit wenig mehr Kraft brach die Wurzel.
Beachte: Die Wurzelfüllung ist offensichtlich sehr minimal ausgefallen - vielleicht war gerade das sehr gut!
Zahn 14, 64-jähriger Patient (22.03.2018 / 1085)
Die Wurzelfüllung wurde 1988 gemacht, der Stiftaufbau am 5.3.1996.
Der Patient hat eine komplett flache Okklusion und kräftige Kaumuskeln
Die Füllung wird nicht mittig, sondern am mesialen Rand belastet. Folglich hätte der mesiale Rand abbrechen können. Es ist aber die Wurzel gebrochen. Offenbar werden die Wurzeln bei kräftigen Knirschern elastisch verbogen und brechen, wenn sie spröde werden.
Hat der Wurzelstift die Fraktur verzögert?
26.09.2018: Bei Wurzelbehandlungen entsteht wegen der Konizität der Instrumente eine hohe Spaltkraft. Sie ist 50 mal höher als der Druck, mit dem man das Instrument in den Wurzelkanal hinein drückt. | Die Konizität der Wurzelkanalinstrumente beträgt 2%. Der Radius der Feile nimmt 0.2 mm/cm zu. Der Winkel beträgt 1.146°. Tangens(1.146) = 0.02. Arbeitsdruck/Spaltkraft = 1:50. |
Die Instrumentenspitze ist konisch. Wird sie mit 50 pond in den Kanal gedrückt, so entsteht ein Druck von 2.5 Kg gegen die Wände des Wurzelkanals. |
Zahn 26, 63-jährige Patientin (26.09.2018 / 5154)
Das ist die amputierte mesiobukkale Wurzel.
10.4.2018: Fistel und Füllungsfraktur. Keine Schmerzen, keine Behandlung.
27.6.2018: Revision der mb Wurzel. Die beiden Kanäle mb1+mb2 sind fötid.
16.7.2018: Fistel weg, Wurzelfüllung mit 2 Guttaperchastiften.
Florian Meyer beobachtete 2011 in seiner Diss, dass Guttapercha in Wasser nach 30 Tagen etwa 2% quillt (= 0.02 mm bei 1mm dickem Guttapercha).
15.4.2015
Guttapercha wurde früher in der Kieferorthopädie als dehnende Kraft bei Dehnplatten verwendet.
Es dehnt sich innert wenigen Wochen aus, wenn es vom Speichel nass wird.
Deshalb lege ich heute diese Guttaperchaspitze in eine Wasserschale und schaue, was passiert.
links: Plastikbüchse mit Gips und Wasser.
rechts: Der Guttapercha-Stift liegt 1 mm unter der Gipsoberfläche. An einem Ende ist der Gips weggekratzt und schaut der Guttastift heraus. Der Gips ist unversehrt und der Guttastift offenbar nicht gequollen.
Diese 57-jährige Patientin hatte seit drei Tagen starke Schmerzen links oben. Der hinterste Molar hat sich deutlich gelockert, und es ist palatinal eine 1 cm tiefe Tasche sondierbar.
oben links: Auf dem Röntgenbild sieht man, dass sich die Wurzeln vom Knochen abgelöst haben.
oben rechts: Der quergeteilte Zahn zeigt den Spalt. Er beginnt links im Bild, dringt in die Wurzel ein und drückt die Wurzel auseinander. Der so entstandene hohle spaltförmige Innenraum wird von Bakterien besiedelt.
unten links: Die bukkalen Wurzeln sind nicht gespalten.
unten rechts: die palatinale Wurzel ist frakturiert. Am Apex erscheint das Ende des Guttaperchastiftes (rot).
Die schwarze Verfärbung folgt deutlich dem Spalt.
Spalt und Verfärbung: was ist Ursache, was nur eine Folge?
Zahn 45, 51-jährige Patientin (08.11.2016 / 5533)
Zahn 11, 41-jähriger Patient (06.11.2018 / 1375)
Inset: der Guttapercha-Stift ragt seitlich von der Wurzelspitze aus dem Wurzelkanal heraus!
Zahn 23, 96-jährige Patientin (25.09.2018 / 2832)
vor 1999: Wurzelbehandlung und Stiftkrone
2000: Stiftkrone durch Kompositaufbau ersetzt wegen chron. Schwellung der Papille
2011: Aphthen-ähnliche indolente, harte Schwellung bukkal von +3
Die Schwellung verschwand nach einer Woche von selber.
2018: Schmerzen bei +3. Zahn entfernt und Kompositbrücke.
Zahn 47, 67-jährige Patientin (07.01.2013 / 1543)
Anamnese: Die Patientin hat seit über einem Jahr immer wieder Schmerzen rechts unten. Seit einigen Wochen hört sie einen Ton im rechten Ohr und möchte den Zahn unbedingt entfernen lassen.
Behandlung: Die Entfernung der mesialen Wurzel ist sehr einfach.
Zwei Wochen später: Der Ton im Ohr sei fast verschwunden.
14.05.2013: Der Tinnitus sei nach der DH-Behandlung eine Woche lang ganz verschwunden.
Zahn 46, 71-jährige Patientin (16.04.2015 / 6364)
Anamnese: Der Zahn wurde vor vielen Jahren (wahrscheinlich in Deutschland) wurzelbehandelt. Vor einigen Jahren bildete die distale Wurzel eine Tasche. Sie schmerzte zwar nicht, aber entliess trotz bester Mundhygiene immer wieder viel Eiter.
Schliesslich entschied sich die Patientin zur Entfernung der distalen Wurzel. Bei der Extraktion zeigte sich: sie war längsfrakturiert. Die mesiale Wurzel ist so fest, dass der Zahn beim Essen auch ohne Schienung nicht wackelt.
Zahn 14, 60-jährige Patientin (13.04.2015 / 4984)
Naheliegendes: Auffallend ist die gut erhaltene Krone mit der Kompositfüllung. Offenbar beginnt die Fraktur nicht im Bereich der Kaufläche, sondern im Bereich der Wurzel. Der Grund ist nicht eine Kaukraft, die durch die intakte Krone hindurch die Wurzel spaltet, sondern eine Kraft im Inneren der Wurzel.
Hypothese: Die Frakturen beginnen nicht immer im Kronenbereich, sondern bei wurzelbehandelten Zähnen auch im Wurzelbereich.
Überkronungen: Das Argument der Überkronung mit einer Ferrule (=Fassreifen) als Schutz vor Frakturen nach Wurzelbehandlungen überzeugt mich nicht. Hier sind auch Frakturen abgebildet, die unterhalb der Lage eines solchen Fassreifens beginnen.
Absteigende Frakturausbreitung: Die Fraktur begann im oberen Bereich der Wurzel und wuchs in Richtung Apex. Entsprechend ist die Verfärbung beim Apex minimal und hell und beim Zahnhals breitflächig und schwarz.
Korrosionsfront: Die Guttaperchaspitzen sind 8 mm lang. 6 mm sind von einer schwarzen Patina bedeckt. Die untersten 2 mm sind sauber und haben fast keine Zeichen von Korrosion ausser der. Doch reicht die Verfärbung fast bis zum Apex. Offenbar diffundieren die schwarzen Pigmente von innen gegen aussen und von koronal nach apikal.
Zahn 46, 74-jähriger Patient (15.07.2016 / 2180)
Eine Wurzelschraube hat die Wurzel perforiert. Somit konnte immer Feuchtigkeit eindringen und die Korrosion begünstigen.
25.10.2000 Das Röntgenbild (unten links) zeigt zwei grosse, zylinderförmige Wurzelschrauben.
27.02.2007: Der Amalgamaufbau ist gebrochen. Er wird samt den Wurzelschrauben entfernt. Die Wurzelkanäle werden mit AH+ und Gutta gefüllt.
15.07.2016: 9 Jahre später ist der Zahn elongiert, schmerzt beim Kauen und ist erhöht beweglich. Wegen der tiefen Tasche in der Furkation wird er extrahiert. Die Guttastifte in der Wurzel sind steinhart. Offenbar ist der Weichmacher entwichen.
Zinkoxid | 33–62% | Füllstoff |
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Guttapercha | 19–45% | Polyisopren |
BaSO4 | 2–31% | Röntgenopazität |
Wachs, Kunststoff | 1–4% | Weichmacher |
Farbstoffe | 1,5–3% |
Zahn 26, 60-jährige Patientin (15.02.2017 / 123)
Anamnese: 12.06.1995: Wurzelfüllung mit AH26/Gutta. Der Zahn bleibt 21 Jahre lang unauffällig. Aber ab Ende 2016 bleiben immer wieder Speisereste bei ihm hängen.
links: 17.09.2007: Röntgenbild (Ausschnitt aus einem OPT) ohne Auffälligkeit.
Mitte: Ende 2016: Fraktur der palatinalen Wurzel. Der Spalt ist etwa 3 mm breit. Der Zahn und der abgebrochene Teil sind nur wenig beweglich und schmerzen nicht. Es sammeln sich aber Speisereste an. Die Patientin denkt, sie brauche eine kleine Füllung.
rechts: Um ins Loch hineinblicken zu können, wurde die abgebrochene Wurzel gekürzt. Guttapercha ist zu sehen, und es scheint ebenfalls gespalten worden zu sein. Unter der Guttapercha befindet sich eine schwarze, feuchte, weiche, übel riechende Schmierschicht bis tief in den Wurzelkanal hinein. Das Dentin entlang des Guttastiftes im palatinalen Kanal ist bis etwa 8 mm tief aufgeweicht.
Die Frakturlinie teilt den Cavumboden quer. Beim Knirschen entstehen in der Regel Längsfrakturen und bricht vor allem die Krone! Der gesäuberte Wurzelkanal und Frakturspalt wurde mit Syntac und Tetric versorgt. Somit ist auch bei Wurzelfrakturen nicht immer eine Extraktion nötig!
Die Ursache solcher Wurzelfrakturen sind nicht Überlastungen durch Knirschen, sondern es sind chemische Veränderungen der Wurzelfüllung im dauernd feuchten Wurzelkanal.
Zahn 45, 51-jähriger Patient (18.05.2017 / 600)
Anamnese:
Rx unten: 2006 Wurzelbehandlung mit AH+ und Guttapercha.
Rx oben: 2016 Fraktur erstmals entdeckt.
Foto: Der Zahn schmerzt nicht, und der Patient kann noch normal damit kauen.
Hier sind weitere typische Wurzelfrakturen abgebildet:
und hier: