Formfehler, die zu Frakturen führen, sind noch kein Thema in der Zahnmedizin.
Interessant ist der Unterschied zwischen Amalgam und Komposit. Bei Amalgam bricht immer der Höcker, bei Komposit die Füllung. Das ist wegen der schwachen Kohäsion und starken Adhäsion des Komposits am Zahn
Vielleicht kann ich mit dieser Seite eine Diskussion über Formfehler bewirken.
58-jährige Patientin (28.06.2019 / 7761), Zahn 7-
links: Zentralfraktur im Komposit = Sprödbruch.
Beachte: Bei Amalgam verläuft der Bruch immer neben der Füllung.
Mitte: Drei Formfehler: tiefe Kaugrube, gekerbte Zentrik, fehlende Abflussrille.
rechts: Gegenzahn 7+: Langer Höcker, keine Abflussrillen, zu hartes Material: CEREC®.
links: Die Fraktur geht bis in die Wurzelkanäle.
Mitte: Die neue Kompositfüllung mit dem Verstärkungsdraht.
rechts: Die fertige Füllung mit flacher Kaugrube und durchschimmerndem Verstärkungsdraht.
55-jähriger Patient (12.06.2019 / 533), Zahn +6
Diese Reparatur brach nach 2 Jahren. Als der Patient kam war der Spalt beim Draht kaum 1 mm breit, oben im Bild jedoch durch Speisereste auf 2 mm gedehnt. Die Foto zeigt den mit einem Bohrer erweiterten Spalt. Es sind Speisereste in der Tiefe sichtbar. Das Innere des Zahnes wurde in wenigen Monaten durch Karies mehrere mm weit aufgeweicht. Offenbar schreitet in so einem Spalt die Karies noch schneller fort als früher (vor den fluoridierten Zahnpasten) bei den ersten Molaren der 6-jährigen Kinder.
Haben die Seitenzähne Höcker, so werden letztere bei zäher Nahrung auseinander gepresst.
Dadurch entsteht eine Zugkraft, die den Zahn oder die Füllung spalten kann.
Auf flachen Seitenzähnen entsteht beim Kauen keine Spaltkraft.
Fhoriz = sin(α) ⋅ FKnirsch
Sinus(10 Grad) = 0.17
Fvertikal = cos(α) ⋅ FKnirsch
Cosinus(10 Grad) = 0.98
Die Matrix der Komposits besteht hauptsächlich aus Bis-GMA (Bisphenol-A-Glycidyldimethacrylat).
Summenformel: C29H36O8
Cr [%] | Ni | Mn | Si | C | P | S | N | Fe | E-Modul [GPa] | |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Betonstahl | 16–18 | 6–8 | 2 | 1 | Rest | 200-210 | ||||
V2A-Stahl | 20 | 8 | 0.2 | 0.1 | 71 | 180 | ||||
Edelstahl 18/10 | 18 | 10 | 72 (Stahl) | 200 | ||||||
304 SS | 17.5-19.5 | 8-10.5 | 2 | 1 | 0.07 | 0.045 | 0.015 | 0.1 | Rest | 114-190 |
Permachrome ist ein magnetischer 304 SS-Stahl (="ferritisch") für orthodontische Drähte von 3M Unitek:
REF 300-171; 016 x 022; E-Modul=186 GPa; Zugfestigkeit=1896-2103 MPa; Dehnung 0.2%=853 MPa
Zusammensetzung: 52–56% Si02, 16-25% Ca0, 12-16% AL203, 5-10% B203, 0-5% Mg0
Spuren Ti02, Fe203, Cr203, F2, R20, K20, Na20, Mn0, P205, SO2
ZUGFESTIGKEIT 3400 - 3700 N/mm²
BRUCHDEHNUNG 3,3 - 4,8 %
Beton ist spröd und würde leicht brechen.
Die Armierungseisen sind duktil (=dehnbar) und verhindern, dass der Beton bricht.
Die Eisen werden ganz unten in der Betonplatte gelegt, wo eine Zugspannung besteht.
E-Modul Beton = 35 GPa
Beim Kauen wird die Kaukraft von den Höckern in eine Zugkraft umgelenkt.
Beim Knirschen entsteht hingegen eine Scherkraft. Beide wirken vor allem an der Oberfläche.
Deshalb muss der Verstärkungsdraht ganz oben
in der Füllung platziert werden.
E-Modul Tetric = 11 GPa
1. Die Frakturen entstehen nicht durch zu hohe Kräfte (keine Gewaltbrüche), sondern wegen der Ermüdung des Komposits durch die Spaltkräfte, die entweder beim Essen infolge von Formfehlern und/oder beim Knirschen entstehen. Sie betragen 10 N (normal) bis 5000 N (sehr selten).
2. Die Frakturen ereignen sich mitten im Komposit. Das bedeutet, dass es mit den Höckern untrennbar verklebt ist (gute Adhäsion), aber dass sein innerer Zusammenhalt zu schwach ist (schwache Kohäsion). Es gilt also, vor allem die Zugkräfte zu beachten.
3. Komposit und Dentin haben fast dieselbe Kohäsion und zeigen ähnliche Brüche. Die kleinsten Haarrisse sind etwa 4 mm lang.
4. Die Haarrisse zeigen auch, wie tief die (ermüdungsbedingten) Spannungsspitzen reichen. Sie sind anfangs nur 1 mm tief.
Druck-/Zugspannung | σ = F : S | MPa, N/mm2 |
---|---|---|
Hookesches Gesetz | σ = E ⋅ ε | MPa, N/mm2 |
Elast. Verlängerung | ΔL = F⋅L0/S⋅E | mm |
Elastische Dehnung | ε = ΔL : L0 | % |
Material: | E-Modul GPa |
Zugfestigkeit MPa |
>0.2% - Dehngrenze |
Ermüdungsbruch 10'000 x MPa |
---|---|---|---|---|
Tetric® | 11 2) | 35-60 4) | 40-44 2) | |
Dentin | 11-19 3) | 40-95 3) | ||
Permachrome® | 152 5) | 2000 5) | 853 5) | |
Glasfasern | 6 6) | 2000 |
Beachte:
- Amalgam hat keine Adhäsion, weshalb es häufiger Frakturen verursacht als Komposit.
- Nur ganz starke Knirscher überwinden die Kohäsion des Dentins und können Zähne spalten.
- Harte, spröde Materialien haben das E-Modul im GPa-Bereich, weiche elastische im MPa-Bereich.
1) Dentin-Adhäsion, Brandt 2010
1) Tetric EvoCeram, IvoClar 2011
2) Anatomie Dentin, Klimm 2003
3) Komposits, Illie_Kunzelmann_Hickel 2005
4) Werkstoffkunde, Bourauel KFO Bonn
5) Permachrome®, 3M Unitec
6) Permachrome®, 3M Unitec
blau = Verstärkungsdraht Permachrome® 0.22 x 0.16 ''
grün = Kompositfüllung
Komposit ist etwas brüchiger als Dentin. Die Zugfestigkeit von Komposit ist niedriger als jene von jungem Dentin und entspricht nur derjenigen von gealtertem Dentin. Legt man bei einem Knirscher eine Kompositfüllung über einem Haarriss, so droht auch die Füllung zu zerbrechen. Sie muss deshalb verstärkt werden.
Drahtlänge L0: | 8 mm | E-Modul: 152 GPa |
---|---|---|
Drahtfläche S: | 0.41mm x 0.56mm | = 0.23 mm2 |
Zugfestigkeit σ: | 0.23mm2⋅2000 MPa | = 460 N (Verformung) |
σ bei 0.2%: | 0.2% x 152 GPa | = 304 MPa |
kritische Kraft: | 0.23 mm2 · 304 MPa | = 70 N |
Breite L0: | 8 mm | E-Modul: 11 GPa |
---|---|---|
Fläche S: | 2 mm x 2 mm | = 4 mm2 |
Zugfestigkeit σ: | 4 mm2 x 50MPa | = 200 N (Bruch) |
σ bei 0.2%: | 0.2% x 11 GPa | = 22 MPa |
kritische Kraft: | 4 mm2 · 22 MPa | = 88 N |
kritische Kraft Prämolar: | 70 N + 88 N | = 158 N |
kritische Kraft Molar: | 70 N + 70 N + 88 N | = 228 N |
(alle Werte in MPa) | Perma- chrome | Tetric | (Dentin) |
---|---|---|---|
Zugfestigkeit σ | 2000 | 50 | (67) |
E-Modul | 152'000 | 11'000 | (15'000) |
Eine Dehnung von 0.2% gilt als vollständig elastisch und reversibel ohne Verformungen oder Frakturen.
Die kritische Kraft verursacht bei einer bestimmten Anordnung und Grösse des Materials gerade eine Dehnung von 0.2%. Höhere Kräfte sind schädlich.
d = Draht; k = Komposit
Ed = 152000 MPa; Ek = 11000 MPa
Sd = 0.23 mm2; Sk = 4 mm 2
F = 200 N
1. Hookesches Gesetz bei beiden gültig:
σd = Ed ⋅ εd
σk = Ek ⋅ εk
2. Draht und Komposit dehnen sich gleich weit:
εd = εk =
σd/Ed = σk/Ek
3. Matrix und Faser wirken der Kraft entgegen:
F = σd ⋅ Sd + σk ⋅ Sk
4. Gleichungen 2 und 3 umformen:
σk = σd⋅(Ek/Ed)
σd = (F - σk ⋅ Sk) / Sd
5. σk einsetzen und auflösen:
σd = (F - σd⋅(Ek/Ed)
⋅ Sk) / Sd
σd ⋅ Sd + σd⋅(Ek/Ed)
⋅ Sk = F
σd = F / (Sd +
(Ek/Ed) ⋅ Sk) = 384 MPa
σk = 27 MPa
εd = εk = 0.25 % (bei F = 200 N)