W. Weilenmann
Dr. med. dent.
Walter Weilenmann
eidg. dipl. Zahnarzt
dipl. Natw. ETH

Mitglied SSO, SSGS
und SSO-Zürich.

Mechanik der Zähne

Das Gebiss ist in erster Linie ein Werkzeug zum Kauen. Die Ästhetik der Frontzähne ist meistens nur bei erwachsenen Patienten eine wichtige Angelegenheit.
Mit Knirschen und Pressen dienen die Zähne zudem der Stressverarbeitung. Im Laufe des Lebens werden sie immer mehr abgeschliffen und verlieren sie an Festigkeit und Elastizität. Bei etlichen Leuten entstehen mit der Zeit mechanische, nicht-kariöse Zahnschäden. Diese beruhen auf bekannten mechanischen Prinzipien:
  • Wöhlerkurve: zyklische Belastungen ermüden jedes Material
  • Bernoulli-Balkentheorie: Spannungsspitzen schwächen die Oberfläche
  • schiefe Ebenen: sie verursachen schädliche Querkräfte
  • Tribologie: sie erklärt die besonders hohe Zahnbelastung bei Knirschern
  • Timoshenko-Balkentheorie: Rezessionen und die Pulpa erhöhen die Scherkräfte
Entscheidend für die Zähne ist, wie stark und wie oft die Zug- und Druckspitzen auftreten, wie gross die Dentinfestigkeit ist und ob das Zahnlager gesund ist. Bei ungüstigen Kombinationen entstehen Kaltempfindlichkeiten, Rezessionen, keilförmige Defekte, Attritionen, Höckerbrüche und quere und vertikale Zahn- und Wurzelfrakturen. Die Vielfalt der mechanischen Eigenschaften der Zähne hat Gary Unterbrink in die Okklusion und der Zahnhals: eine umstrittene Verbindung beschrieben.
Motiv:

Keilförmige Zahnhalsdefekte werden immer noch oft mit falschem Zähneputzen erklärt, obwohl es Situationen gibt, in denen das Zähneputzen unmöglich die Ursache sein kann.
Als ich wegen Zahnfrakturen auf die Balkentheorie gestossen bin, bat ich Herrn Marvin Rueppel, MSc ETH in Mechanical Engineering um eine Erklärung. Er hat mir dann 2019, 2020 und 2024 mit vielen Zeichnungen, Formeln und Emails die Grundlagen der Mechanik erklärt und mir geholfen, daraus eine "Mechanik der Zähne" zu entwickeln. Sie erklärt alle oben angeführten Zahnschäden.

Mechanische Prophylaxe
Nur wenn ein Zahnarzt nach überlasteten Stellen sucht, kann er sie einschleifen und/oder mit Kompositkorrekturen eliminieren. Mit einer Karieskontrolle kann man mechanisch schädliche Zustände nicht erkennen.


Übersicht
Die Schäden treten bei der Krone, beim Zahnhals und an der Wurzel auf in je drei Häufigkeiten. Sie sind leider weitgehend unvermeidbar.

02Zusammenfassung.PNG
1. Attrition
2. Höckerfraktur
3. Zahnspaltung
4. Keilförmiger Defekt
5. Kerbe
6. Rezession
7. Kaltempfindlichkeit
8. Wurzel-Längsfraktur
9. Wurzel-Querfraktur
Krone
Zahnhals
Wurzel
häufig
seltener
selten
Knirschen auf Höckerspitzen
Amalgam schwächt den Zahn
Zu steiler Höckerwinkel und/oder zu tiefe Verzahnung
Verbiegung des Zahnes nach vorne
Kerbe durch Spannungs­konzen­tration im keilf. Defekt
Druck gegen die vordere Knochenwand
Druck am Apex wegen Intrusion
Belastete Wurzelfüllung
in Restbezahnung
Zahn mit Wurzelbehandlung
und langen Höckern
Ursache und Wirkung
Ursache
Schaden
  1. Abnützung wegen Spannungsspitzen in den Höckerspitzen
  2. Ermüdungsfraktur wegen schiefer Ebene, tiefer Verzahnung und geschwächtem Höcker neben Amalgam
  3. Ermüdungsfraktur wegen steilem Höckerwinkel und tiefer Verzahnung
  4. Kerbwirkung beim Zahnhals, wo die Verbiegung gestoppt wird
  5. Spannungsmaximum in der Kerbe. Lochfrass-Korrosion?
  6. Lagerreaktion an der Seite wegen queren Belastungen
  7. Lagerreaktion an der Wurzelspitze wegen axialer Überlastung
  8. Längsfraktur wegen Lagerkräften und Wurzelschwächung
  9. Ermüdungsfraktur eines wurzelbehandelten Zahnes bei Knirschen oder langen Höckern

Es gilt, die Ursachen zu erkennen. Dann lassen sie sich häufig eliminieren oder zumindest vermindern. Nur so können mechanische Schäden verhindert, verzögert und erfolgreich minimalinvasiv mit einfachen Kompositfüllungen statt mit Porzellankronen und Implantaten repariert werden.


Klinik

Mechanische Schäden künden sich oft jahrelang an. Zu den Vorzeichen gehören die Kaltempfindlichkeit und minimale Zahnlockerungen. Sie verschwinden oft wieder von selber dank den natürlichen Korrekturmechanismen bezüglich der Zahnstellung und der Form der Kauflächen.

Die folgenden Bilder zeigen die sichtbaren mechanischen Schäden an Zähnen.

  1. Die Abrasion am Schmelz. Sie ist ziemlich harmlos und kommt oft vor.
  2. Die Erosion des Dentins am Zahnhals und auf der Kaufläche ist ein Zeichen von Bruxismus und hoher Kaukraft.
  3. Die Zahnhalsdefekte mit Kerben sind ähnlich gefährlich wie Karies.
  4. Die Zahnfrakturen schliesslich können einen Zahn unrettbar zerstören.
  5. Die wurzelbehandelten Zähne brechen am häufigsten

Mechanische Schäden treten auch an Porzellankronen und Implantatkronen usw. auf. Sie sind aber seltener als Zahnschäden, weil die Keramiken und Metalle härter sind als Schmelz und Dentin.


06Schaeden1.jpg
70-jährige Patientin (10.02.2020 / 3647)
54-jähriger Patient (10.02.2020 / 6323)
Spitzensportler.
Er empfiehlt jetzt "Softsport"!
36-jähriger Patient (12.08.2019 / 7691)
Die Abnutzung begann schon in der Jugend.

1. Abrasion der Kauflächen

Abrasion: Abnutzung der Zähne durch folgende zwei Effekte, die verschieden stark beteiligt sind.

  • Attrition: Abschleifen des Schmelzes an den Kontaktpunkten (Schneidekanten und Höckerspitzen) durch Bruxismus = kräftiges, chronisches Pressen und Knirschen.
  • Erosion: Chemische Schwächung des Dentins durch Säuren von Früchten usw.
Schmelzprismen

Die Schmelzprismen zeichnen die Form des Einbruchs an der Höckerspitze vor.

Siehe auch andere eingebrochene Höckerspitzen

07Schaeden.jpg
64-jährige Patientin (06.02.2020 / 1619)
+1 mit Erosion (Zahnmitte) und
keilförmigem Defekt (Zahnhals)
75-jähriger Patient (16.12.2019 / 217)
4- Defekt subgingival.
Förster, Holzfäller.
76-jährige Patientin (10.02.2020 / 753)
Marathonläuferin. Mehrfache
Siegerin des "Davoser".

2. Keilförmige Zahnhalsdefekte

Mikroriss im Zahnhalsdefekt
Zahn 6+, 79-jährige Patientin (04.05.2020 / 7914)
Ursache: Spannungsspitzen + Zähneputzen
Im Zentrum der Zahnhalsdefekte hat es oft eine horizontale Kerbe. Bei dieser Patientin ist sie mit Zahnstein überwachsen.
08Schaeden.jpg
78-jährige Patientin (17.02.2020 / 6920)
21+ subgingivale Defekte
3+ Loch fast ohne Karies
67-jähriger Patient (06.01.2020 / 253)
+6 Höckerfraktur neben Amalgam.
54-jährige Patientin (06.06.2019 / 2138)
6+ Zentralfraktur

3. Höckerfrakturen

Druck und Zug durchströmen alle Materialien. Das schwächste bricht zuerst.

Frakturierter Höcker

Der Zement ist die "Haut der Wurzel". Er ist härter als Dentin und hängt meistens wie ein langer, dünner Spitz am abgebrochenen Höcker.

Das Dentin ist innen weich und aussen hart. Entsprechend verläuft die Frakturlinie nach aussen etwas steiler.

Der Schmelz bricht zuerst wegen seiner kleinen Zugfestigkeit. Kein Wunder, dass Schmelzrisse sehr häufig sind.

Höcker von +6
55-jährige Patientin (04.12.2019 / 2138)

09Schaeden.jpg
96-jährige Patientin (25.09.2018 / 2832)
+3 Überlastung infolge kleiner
Restbezahnung 4321-1234
81-jährige Patientin (07.03.2018 / 4747)
+2 Hebelwirkung der
Wurzelschraube
63-jährige Patientin (20.07.2020 / 123)
+6 Wurzelfraktur
1995: Wurzelbehandlung
mit AH 26 und Gutta.
Starke Knirscherin
83-jähriger Patient (26.09.2017 / 5386)
-4 Wurzelfraktur trotz
perfekter ferrule
durch Überkronung

4. Wurzelfrakturen

Wurzelbehandelte Zähne brechen sechs mal häufiger als vitale Zähne, auch bei normaler Belastung.

Normale Belastung
Front- und Seitenzahn
Querkraft auf     Axiale Kraft auf
Frontzahn        Seitenzahn
10Schaden5789.jpg
58-jährige Patientin (02.10.2024 / 5789), Zähne 654-

5. Karies wegen zu schonendem Zähneputzen

Die Patientin erhielt vor vielen Jahren den Rat, rechts unten nicht zu stark zu drücken beim Zähneputzen, weil sonst die keilförmigen Defekte grösser würden. Aber Zähneputzen ist nicht die Ursache der Zahnhalsdefekte. Sie sind vielmehr ein Synergismus von

  • Zähneputzen (1 x pro Tag genügt)
  • abrasive Zahnpaste ("für weisse Zähne", lieber eine "sensitive für empfindliche Zähne" oder eine mit etwas mehr Fluorid drin)
  • harte Borsten (lieber soft als forte oder medium)
  • täglich mehrmals saure oder süsse Esswaren/Getränke
  • Bruxismus
  • Speichelqualität
  • genetische und bakterielle Faktoren

Mechanik

Die Mechanik hilft, die nicht-kariösen Zahnschäden zu verstehen, erfolgreich zu therapieren und prophylaktisch zu verhüten. Dazu gehören luxierte Zahnhalsfüllungen und Kompositaufbauten, Höckerfrakturen und Zahnspaltungen sowie die generellen Zahnabnützungen, welche eine Bisserhöhung notwendig machen, Kaltempfindlichkeiten, eingeklemmte Speiseresten und Blitzscmerzen beim Essen. In diesen Fällen sind sind nicht Kariesbakterien schuld, nicht ein schlechte Mundhygiene und nicht zu viel Zuckerkonsum, sondern die mechanischen Gesetze der Natur wie das Hebelgesetz, die Kräfteaddition, Balkentheorie, Tribologie und Festigkeitslehre insbesondere auch wegen der Ermüdung und der Wöhlerkurve.

  • Die Kräftezerlegung zeigt Erhöhung der Frakturgefahr durch schlechte und fehlende Kontaktpunkte.
  • Das Hebelgesetz zeigt, weshalb gewisse geometrische Anordnungen die Füllungen überlasten.
  • Die Festigkeitslehre zeigt, wie zyklische Belastungen zu Rissbildung, Korrosion und Ermüdung führen.
  • Die Tribologie erklärt, weshalb beim Knirschen viel mehr Zahnbelastungen entstehen als man sich vorstellt.
  • Die Balkentheorie erklärt, wie Biegespannungen zu Zahnhalsdefekten mit Kerben führen.

Die Querkraft ist schädlich.

130Kraefte.PNG
Kauen
Pressen
Knirschen
Kaukraft = Spaltkraft
bei einem 90°-Höckerwinkel
90°
Querkraft
Normalkraft
Querkraft
Querkraft
Quer-
kraft
Quer-
kraft

1. Die Kräftezerlegung

Jede Kraft übt eine Normal- und eine Querkraft aus.
Die Normalkräfte erzeugen vertikale Druckspannun­gen von der Krone bis zur Wurzelspitze.
Die Querkräfte erzeugen horizontale Zugspannun­gen mit Spitzenwerten unter den Höckern und beim Zahnhals. Diese sind kritisch, weil das Dentin nur wenig zugfest (≈ 50 MPa) aber sehr druckfest ist (≈ 500 MPa) und verursachen Kauschmerzen, Haar­risse und Höckerfrakturen.

Okklusionsbefunde: 
zentrische Kontakte (1), Abflussrillen (2)
Arbeitsvorkontakte (1), Hyperbalancen (2), 90°-Höckerwinkel (3)
fehlende zentrische Kontakte (4), fehlende Abflussrillen (5)

4+

5+

6+

Hyperbalance

Anamnese und Befund: Die Patientin klagte, sie könne seit einem Jahr nicht mehr kauen. Die Anfärbung zeigt deutlich: beide Prämolaren 54+ haben keinen einzigen guten Farbpunkt. Vielmehr fehlen die beiden zentrischen Kontakte (4), hat es zwei überlastete Vorkontakte (1), drei Hyperbalancen (2) und je ein 90°-Höckerwinkel (3) mit Bruchgefahr. Nur der Zahn 6+ hat einen guten zentrischen Kontakt (1) mit Abflussrille (····2), aber gleich daneben hat er auch eine Hyperbalance (2).

Okklusionsbefunde zeigen

Therapie: Bei der Okklusionskorrektur werden die Hyperbalancen entfernt und die Arbeitsvorkontakte reduziert. Dabei färbt man immer wieder an und schleift erneut ein, bis es im Liegen und im Sitzen stimmt. Zuletzt setzt man bei den fehlenden Kontakten Komposit an. Nun hat der Patient ein neues Kaugefühl und muss Fehler suchen, bis er beim Zubeissen überall ein gleichmässiges Gefühl spüren kann.
Wir verwenden ein Farbband mit progressiver Farbtönung:
BK 07 ArtiSeide 16mm blau (von Bausch)

42-jährige Patientin (06.03.2024 / 8600)

Die Okklusionskorrektur

Bei der Okklusionsanalyse sucht man die Normal- und Querkräfte mit dem Farbband.
Beim Anfärben legt man 1, dann 2, dann 3 und auch noch 4 Farbbänder übereinander und lässt den Patienten liegend und sitzend auf die Farbbänder beissen und klappern.
Die zentrischen Kontakte liegen auf horizontalen Flächen. Links im Bild hat nur der 6+ einen solchen Kontakt, und bei 54+ fehlen sie.
Die Querkräfte liegen auf schiefen Ebenen. Kritisch sind die zu starken (Farbfleck durchgedrückt) und die breitflächigen Kontakte. Bei 54+ sind alle zu stark. Bei 6+ ist der Kontakt breitflächig und behin­dert das Wegfliessen des zerquetschten Bissens.
Eine fehlende Abflussrille wird eingeschliffen, um das Wegfliessen des Bissens zu erleichtern.
Die fehlenden zentrischen Kontakte werden mit Komposit hergestellt, wonach der Biss sich sofort "voller" und gleichmässiger anfühlt. Diese neuen Kontakte sind gut belastbar, wodurch sich das "Kauzentrum" gerne zu diesen hin verschiebt und so die Nachbarzähne entlastet.
Rezidive sind selten. Sie entstehen nach wenigen Wochen oder Monaten durch neue schmerzhafte Kontakte. Sind neue Kau- und Knirschbewegungen entstanden, oder ist eine Pulpa entzündet?


Das Drehmoment (DM)  =  Kraft × Hebel  =  Spaltkraft bei

14Hebel.jpg

   I n t e r l a m i n a r f r a k t u r   

Kraft

 Hebel 

Zug

61-jähriger Patient (15.09.2020 / 5167)
Kompositaufbau mit Wurzel­schraube und Hebel
Der Hebel vergrössert den Zug

DM = Kraft × Hebel

Verbesserung 1

Zwei Parapulpärschrauben
hinter der Wurzelschraube

DM = ⅓ × Kraft × Hebel

Verbesserung 2

Schienung auf Höhe der Kraft

DM = 0

Fälle mit kleinem Frakturrisiko:
- wenn man den Kompositaufbau in einer Kopfbiss-Stellung modellieren kann (keine Querkraft mehr),
- wenn der Kompositaufbau möglichst kurz ist (kurzer Hebel = wenig Kraftvergrösserung),
- wenn eine schwache Beisskraft vorhanden ist (altersbedingt, Vollprothese ohne Verankerung),
- wenn der Antagonist fehlt.

2. Das Hebelgesetz

Querschnitt durch einen oberen Zweier Querschnitt durch einen oberen Zweier
6 mm
1 cm

Die Wurzelschraube mit dem Kompositaufbau ist wie ein einseitiger Hebel.
Er bewirkt bei eine Spaltkraft die etwa doppelt so hoch ist wie die Beisskraft an der Schneidekante. Die Wurzel­schraube ist etwa 10 mal steifer als Dentin und Komposit.

Beisskraft 60 N/cm²
Spaltkraft beim Zahnhals ()120 N/cm²
Zugfestigkeit interlaminar 40 N/cm²
Dauerfestigkeit (Wöhler)15 N/cm²
E-Modul Dentin / Komposit18 / 12 GPa
E-Modul Wurzelschraube180 GPa

Verbesserung 1
Zwei Parapulpärschrauben leiten ⅔ der Spaltkraft ins Dentin hinter der Wurzelschraube und von da zu den Sharpey-Fasern hinter der Wurzel. Die Wurzel­schraube zieht den Zahnhals bei nur noch mit einer Spaltkraft von 40 N/cm² auseinander.

Verbesserung 2
Die Schienung befindet sich auf der Höhe der Beisskraft, weshalb es keinen Hebel mehr gibt und die Sollbruchstelle unbelastet bleibt.


Zyklische Zugspannungen erzeugen Mikrorisse und Korrosion.

Risswachstum im belasteten Dentin

Risswachstum I

2008 haben K. J. Koester et al (The effect of aging on crack-growth resistance and toughening mechanisms in human dentin. Biomaterials 29 (2008) 1318 - 1328) das Risswachstum und die Zähigkeit des Dentins beobachtet.

Im Bild sieht man, dass die Mikrorisse bei den leeren Dentintubuli (junges Dentin) starten. Sie werden durch die Zugspannung elastisch gedehnt und reissen an einigen Stellen auf (Mikrorisse, rote Pfeile). Die Dehnungen und die Mikrorisse mildern die Zugspannung. Durch erneute Zugspannungen wachsen einige Mikrorisse allmählich zu einem makroskopisch sichtbaren Haarriss zusammen.

Altes Dentin hat keine leeren, elastischen Dentintubuli mehr. Der Riss wächst 40% schneller als im jungen Dentin.

3. Festigkeitslehre

Spannungsrisskorrosion

Niedrigzyklische Spannungen führen zu einer interkristallinen und/oder transkristallinen Rissbildung im Apatit. Gleichzeitig verändert das Korrosionsmedium Speichel die Kristalle, indem OH--Ionen durch Cl-- und F--Ionen ausgetauscht werden. Dabei wird das Apatit zu einem heterogenen Mischkristall, der beim Zähneputzen wenig abriebfest ist. Es entsteht ein breitflächiger keilförmiger Defekt.

Der Werkstoff muss einen Anriss haben Zugspannungen müssen vorliegen, z. B. Eigenspannungen Ein spezielles Elektrolyt muss vorhanden sein.

Korrosion der Zahnhalskerbe von Zahn +2

Korrosion ist ein zentrales Kapitel der Mechanik. Speichel begünstigt die Spannungsrisskorrosion und Schwingungsriss­korrosion. Er ist ein Korrosionsmedium aufgrund der Ionen Na+, Cl- und dem wechselnden pH-Wert. Risswachstum II


+2 und -3 stehen im Kreuzbiss. Deshalb entstanden besonders viele Zugspannungen.

Die Punkte in der Kerbe: Lochfrasskorrosion.
Gemäss der Balkentheorie liegen die Spannungs­spitzen an der Oberfläche. Deshalb korrodieren die äussersten Apatit-Kristalle.

Zum Vergleich: Stainless Steel Pitting Corrosion

64-jährige Patientin (12.03.2020 / 1619)

Apatit-Korrosion

Dentin besteht aus 10% Wasser, 20% Protein (v.a. Kollagenfibrillen) und 70% Calciumphosphat Hydroxylapatit (Nanometer-grosse Plättchen).
Ca5(PO4)3OH + H+ ⇆ 5 Ca2++ 3 PO43- + H2O
OH--Ionen werden durch F-- (von Zahnpasta) und Cl- (von NaCl) -Ionen ersetzt. Es entstehen Mischkristalle aus Fluorapatit (Ca5(PO4)3F ) und Chlorapatit (Ca5(PO4)3Cl) und mit uneinheitlichen Gitterparametern.

Lochfrass-Korrosion

O2-

Cl-

F-

Intakte Oberfläche unter Zug
Lochfrass + chemische Korrosion
Spannungsriss- korrosion

Wöhlerkurve der Zähne mit Ermüdungsfaktor "Alter"

Kaukraft
Dentin
Zugfestigkeit
30-65 MPa
Dauerfestigkeit
10-20 MPa
Gewaltfrakturen
Ermüdungsfrakturen
H a a r r i s s e
heavy bruxer
Distalbiss
Restgebiss
Abrasionsgebiss
Viel-Esser
Kaugummi, Rohkost
Schwachstellen
Obliteration
Halbierung der
Bruchzähigkeit
alte Zähne
Kauzyklen
0             5       10     15   20  25 30  Mio
Alter
10         20      30    40  50  60 70 80
90 Jahre
E-Modul
15         16       17     18    19   20  21 GPa
Wöhlerkurve

Die Obliteration der Den­tinkanälchen macht den Zahn um 50% spröder und brüchiger. Entsprechend nehmen Mikrorisse, E-Modul und Ermüdung zu. Andererseits nehmen mit dem Alter die Kaukraft und die mit ihr verbundene Ermüdung ab. Zudem ist die Praxis voller Spezial­fälle. Auch ältere Patienten können eine erstaunlich hohe Kaukraft besitzen...

(Diese Skalen sind nur ein Prinzip und keine exakte Vorgabe.)

Dauerfestigkeit des Dentins

Hier sind Zug- und Druckfestigkeiten aufgelistet. Wie bei vielen Materialien gilt auch beim Dentin:
 Zugfestigkeit ≈ 3 × Dauerfestigkeit, und
 Druckfestigkeit ≈ 30 × Dauerfestigkeit

Dauerfestigkeit (MPa)
Dentinaussen mittiginnen
20 Jahre20 (15-26)16 (11-21)11 (8-14)
50 Jahre15 (12-20)12 (8-16)8 (6-11)
80 Jahre 10 (8-13)8 (5-11)5 (4-7)

Das äusserste Dentin ist doppelt so hart wie das innerste und wird im Alter etwa so weich wie junges inneres Dentin.
Dieser Befund ist bedeutsam bei der Präparation von erodierten Kauflächen, keilförmigen Defekten und abgebrochenen Kronen bei älteren Patienten (siehe zum Beispiel hier).


Die Tribologie erklärt das Knirschgeräusch

172Tribologie.jpg
Audio-Waves eines Knirschgeräusches (siehe hier)

4. Die Tribologie

Ein Knirschgeräusch erweist sich nicht einfach als 1 Zahnbelastung, sondern ist eine Mehrfachbelastung wegen seinem knarrenden Charakter. Er ist ein Stick-Slip-Effekt des Schmelzes, und könnte durch einen Schmierstoff vermindert werden. Dies geschieht wahrscheinlich auch, wenn man abends nach dem Zähneputzen etwas Öl zwischen den Zähnen durchzieht (Ölziehen).

Das Bild einer Audio-Wave-Aufnahme zeigt etwa 5 Amplituden pro Sekunde. Jede Amplitude erzeugt eine Spannungsspitze im Dentin.


Die Balkentheorie erklärt den Zahnhalsdefekt

1. Balkenbiegung mit
Druck- und Zugzone
2. Spannungskonzen-
tration bei der Kerbe
3. Balkenbiegung beim
überhängenden Höcker
Kerbenbildung
44-jährige Patientin (03.10.2024 / 5710)
Zahn -4 mit Zahnhalsdefekt
44-jährige Patientin (03.10.2024 / 5710)
Zahn -3 mit Zahnhalskerbe
84-jähriger Patient (15.08.2024 / 1320)
Zahn -5 mit mehreren Kerben

5. Die Balkentheorie

Knirschkraft
+
Verstärkung der Krone
durch den Schmelz
Verstärkung der Wurzel
durch dieAlveole
Dehnung
des Zahnhalses
Quetschung
des Zahnhalses
Irritation der Pulpa
wegen der Bewegung
gebogener Zahn

Bei der Balkenbiegung entstehen gleichzeitig Zug- und Druckspannungen im Balken - so auch im Zahn. Das Bild zeigt einen übertrieben gebogenen unteren Eckzahn mit dem gequetschten und dem gedehnten Zahnhals.

Jede Laterotrusion hat 5-10 Spannungsspitzen.
Jede Knirschphase hat etwa 30 Laterotrusionen.
Pro Nacht gibt es etwa 70 Knirschphasen.

5 × 30 × 70 × 365 = 3'832500
Tagsüber wird auch geknirscht.
Pro Jahr entstehen ca. 5 Mio Spannungsspitzen.

19Kreuzbiss8711.jpg
62-jährige Patientin (17.07.2024 / 8711)
Zahn +3 im Kreuzbiss
Die Balkentheorie beim Kreuzbiss

Bei diesem Kreuzbiss entstehen auf der Aussenseite des Zahnes nur Zugkräfte beim Knirschen. Der Zahnhals wird also gedehnt. Deshalb ist keine Kerbe entstanden.


Knirschen, Korrosion und Zähneputzen
Mechanische Grundlage der Mikrorisse

Eine Zugmaschine verursacht Mikrorisse im Dentin rein mechanisch und ohne Mitwirkung von Bakterien.
Die Zugfestigkeit von Dentin beträgt bloss 50 (10-90) N/mm². Pressen erzeugt Druckkräfte von 45 bis 65 MPa pro Zahn. Knirschen erzeugt Zugkräfte. (Diss Fink, S. 76).
Kuhhörner sind mit 150 N/mm² dreifach so zugfest wie menschliches Dentin.
Die Druckfestigkeit ist übrigens etwa 10 mal höher und erzeugt keine Mikrorisse, sondern beschädigt die Apatit-Kristalle.

Chemische Grundlage der Spalt- und Lochfrasskorrosion

Dentin enthält 10% Wasser. Ein Wurzelstift wird meistens mit Zinkphosphatzement befestigt. Er schrumpft etwa 3%. In den entstehenden Spalten sammelt sich Feuchtigkeit. Speichel ist mit seinen Chloridionen ein Korrosionsmedium [M]. Im Mikroriss verarmt sein Sauerstoffgehalt und sinkt der pH bis auf 3 ab gemäss folgender Reaktion: M+Cl- + H2O ⇄ M+OH- + H+Cl-

Synergieeffekt von Knirschen, Speichel und Zahnpasta:

  • Knirschen: Die Querkräfte verursachen Zug und fördern Mikrorisse vor allem bei den Spannungsspitzen im Zahnhals an der Oberfläche. Pressen komprimiert das Dentin und fördert die Veränderung der Apatit-Kristalle.
  • Speichel: Er dringt in die Risse ein und verändert das Apatit zu einem mechanisch schwächeren Mischkristall.
  • Zahnpasta: Sie enthält einen Putzkörper mit einem RDA-Wert unter 40 (schonend, sensitive), von 40 bis 80 (normal) oder über 80 (abrasive Raucher- und Weissmacher-Zahnpasten). Schon sensitive Zahnpasta kann aufgeweichtes Dentin abschleifen.

Nächtliches Knirschen

21Knirschphasen.jpg

Knirscht man gegen ein Implantat oder eine Brücke, so entstehen maximal grosse Belastungen.
Hört man beim Knirschen ein knarrendes Geräusch, so findet gleich eine Serie von Belastungen statt (siehe die Aufnahmen von Knirschern weiter unten).

Knirschen

Zur Knirschkraft schreibt ChatGPT:

Die Knirschphasen finden vor allen im leichten Schlaf in den NON-REM-Phasen statt.

Die Zahnbelastung ergibt sich aus der Kaukraft, der Beisskraft im Schlaf, der Knirschdauer und der Zahl der Zähne, die beim Knirschen belastet werden.

  1. 1000 ± 100 N = MVC
  2. (500 ± 200 N = Normale Beisskraft)
  3. 25 − 100% MVC = Knirschkraft im Schlaf
  4. 10 sec − 5 min = Dauer einer Knirschphase
  5. 10-20 Knirschphasen pro Stunde

Aktivitätsphasen im Schlaf

21KnirschphasenSalis.jpg

Heavy Bruxer beissen in einer Nacht 100 mal und mehr zusammen. Deswegen können die Kaumuskeln wegen Muskelkater zu schmerzen beginnen. Meistens schmerzt nur eine Wange, manchmal aber auch beide, und manchmal auch die Stirn (Migräne). Warme Umschläge lindern diese Schmerzen sofort.

Die Belastung der Zähne und Füllungen
Die Anzahl der belasteten Zähne schwankt von 1 (beim Implantat) bis etwa 10 (Gruppenkontakt).
Natürliche Zähne federn die Kraft elastisch ab, Brücken und Implantate sind hingegen unbeweglich starr.
Trifft die Kraft den Zahn auf einer schiefen Ebene, kommt noch eine Hebelwirkung dazu.
Und gibt es beim Knirschen ein knarrendes Geräusch, so multiplizieren sich die Druckspitzen mehrfach.

Folgende Werte stehen in der Diss von Frau Dr. Salis-Gross (1996) mit 14 gesunden Probanden:

  1. 500 ± 150 N = MVC
  2. 30 − 95% MVC = Knirschkraft im Schlaf
    150 ± 50 N = normal
    300 ± 100 N = einmal pro Woche
  3. 3−6 sec = normale Aktivitätsdauer
    18−53 sec einmal pro Woche
  4. 5−20 Aktivitätsphasen pro Stunde
Scattergram Dauer vs. %MVC
MVC = maximale willentliche Kontraktion
Minimale Knirschphasen   Maximale Knirschphasen

Knirschprotokolle

Die Personen 6 und 8 knirschten mit einer geringen Beisskraft öfters als Person 12 mit einer grossen Beisskraft. Person 6 mit einer Beisskraft von 35 Kg knirschte in einer Nacht bis zu 140 mal, während Person 4 mit 40 Kg Beisskraft nur etwa 70 mal knirschte.

Person Dauer
einer AP
Anzahl
AP
Belastung
[%MVC]
Integral der Belastung
IAP [%MVCs]
113.0 sec6026%(403 N)91 (Minimum)
15.9 sec5518%(394 N)132
85.3 sec10025%(337 N)144
126.3 sec9323%(504 N)161 (Maximum)

Nicht die Beisskraft, sondern die Knirschdauer hat den grössten Einfluss auf die Belastung.


Zugfestigkeit des Dentins innen und aussen

Die Zugfestigkeit wird in MPa = N/mm² gemessen.

Gemessen werden kleine Balken, die an verschiedenen Orten im Zahn aus dem Dentin herausgeschnitten werden. Die Festigkeit nimmt wegen der Dentinalterung um 50% ab und sinkt in der Nähe zur Pulpa nochmals auf 50% ab.

SchmelzSD-Grenze querlängs
46 (33-59)42 (30-54)11 (7-15)
Dentinaussen mittiginnen
- jung61 (45-78)48 (32-64)33 (25-42)
- alt 30 (23-39)24 (16-32)16 (12-21)
Amalgam45-65
Zement, Holz100

2004 haben M. Giannini et al (Dental Materials (2004) 20, 322–329) bei jungen, kariesfreien Weisheitszähnen die Zugfestigkeit des äusseren und inneren Dentins mit einer Mikro-Zugmaschine gemessen. Sie fanden aussen die höchste Zugfestigkeit (ultimate tensile strength), aber innen ist das Dentin nur noch halb so zugfest!

Dentintubuli
Inneres Dentin: 50'000 Tubuli / mm²
Zugfestigkeit: 25-42 N/mm²
Die Pfeile zeigen Treppenstufen vom intertubulären zum peritubulären Dentin.
Risswachstum II

Spannungsspitzen → keilförmiger Defekt

Die Haarrisse häufen sich im Bereich der Spannungsspitzen. Das Dentin beim Haarriss zerbröselt und wird vom Speichel (und von der Zahnbürste) abtransportiert - es entsteht eine Kerbe. Sie reicht manchmal bis unter das Zahnfleisch.

Das Bild zeigt mitten im keilförmigen Defekt (Zahn +2) eine leicht schief verlaufende scharfe Kerbe. Die Kerbe ist schief, weil die Patientin beim Knirschen den Zahn nicht genau in der Mitte trifft, sondern etwas neben der Mitte. Dadurch entstehen Drehkräfte (Torsion), die den Zahn mit einer Schraubenbewegung belasten.



64-jährige Patientin (12.03.2020 / 1619)

Korrosion

Korrosion ist die Reaktion einer Oberfläche auf die Umgebung. Sie wird durch zyklische Belastungen und durch ein Cl--haltiges Korrosionsmedium gefördert.

Spaltkorrosion

Im Spalt zwischen Zahn und Amalgamfüllung entlässt Amalgam Kupfer, Zinn und Zink. Diese Ionen färben das Dentin grau-schwarz und grünlich. Dadurch einsteht nach Jahrzehnten ein durchschimmernder dunkler Hof rund um die Amalgamfüllung. Auch Quecksilber entweicht aus der Füllung. Es verbleibt jedoch nicht im Spalt, denn bei 37°C ist es flüssig. Überdies reagiert es allgemein nur träge mit anderen Substanzen.

Lochfrasskorrosion im Kerbgrund

Lochfrass-Korrosion 54-jährige Patientin (24.03.2021 / 1165), Zahn 3+, Verfärbung durch häufigen Genuss von Heidelbeeren?

"Linienkorrosion"

Linienkorrosion 51-jähriger Patient (20.08.2020 / 6090), Zahn +3

Bei Zahnhalsdefekten, die tiefer als 1 Millimeter sind, entstehen linienförmige scharfe Kerben. Sie befinden sich stets zwischen dem Kerbgrund und der Gingiva.


Der keilförmige Defekt

Verdeutlichte Zahnbiegung


gebogener Zahn Der Zahn verbiegt sich im Zahnhalsbereich etwa 2000 mal pro Nacht (70 Knirscherphasen mit je 30 Laterotrusionen) und 7 Millionen mal in 10 Jahren.
Nicht nur Karies macht Löcher, sondern auch Knirschen

Der keilförmige Defekt entsteht nach jahrzehntelangem Knirschen und Pressen. Dabei haben diese drei Kofaktoren einen Synergieeffekt:

  1. Die Verbiegung des Zahnes beim Knirschen gemäss Balkentheorie,
  2. der Speichel mit den Chlorid-Ionen als Korrosionsmedium, und
  3. die Zahnpasta mit dem Putzkörper als Schleifwerkzeug.
Die Biegung findet beim Zahnhals statt, weil er der schwächste Teil des Zahnes ist. Die Wurzel wird von der Alveole und die Krone vom Schmelz verstärkt. Die Biegung quetscht und dehnt das Dentin. Beides bewirkt eine Aufweichung der Oberfläche.

Nur etwa 20% der Patienten haben keilförmige Zahnhalsdefekte. Je tiefer ihre Defekte sind, desto öfters und kräftiger knirschen sie.



Wie entstehen die Linien im Zahnhalsdefekt?

24Linienkorrosion8718.jpg
71-jähriger Patient (15.08.2024 / 8718), Zahn +3

Warum sind die Linien nur beim Zahnfleisch?

links:
Dieser keilförmige Defekt ist besonders tief. In der Mitte des Defekts ist ein kleiner dunkler Fleck. Das ist das Tertiärdentin.

rechts:
Die Linien befinden sich nur auf der gingivalen Seite des keilförmigen Defekts, obwohl die Zahnbürste den ganzen Defekt gleich abreibt. Die erste Linie ist etwa 2 mm, die letzte Linie etwa 4 mm vom Zahnfleischrand weg. Sie ist die tiefste Stelle (Kerbgrund) und überquert das Tertiärdentin in der Mitte (kleiner dunkler Fleck). Jenseits der Kerbe ist das Dentin glatt und ohne Linien.


Erklärung der Linien im Zahnhalsdefekt

25LinienkorrosionTheorie.PNG
1) Die Balkenbiegung beim Zahnhals verursacht den ersten Zahnhalsdefekt
Balkenbiegung I mit einer Druck- und Zugzone.
Zug
Druck
Der Druck erweicht die Oberfläche. Deshalb wird sie beim Zähneputzen abgeschliffen.
So entsteht der erste Zahnhalsdefekt.
Zug
Druck
2) Der Zahnhalsdefekt konzentriert die Kraftlinien und bekommt eine Kerbe.
Kraftlinienkonzentration bei der Kerbe
Der Kerbgrund wird zweifach belastet: Knirschen (roter Pfeil) bewirkt eine Biegung mit Zug und Druck, und Pressen konzentriert die Kraftlinien (grüner Pfeil). Deshalb wird der Kerbgrund besonders weich.
3) Der überhängende Teil des Höckers beginnt sich zu verbiegen
Balkenbiegung II beim überhängenden Höcker
Der Zahnhalsdefekt wird dreifach belastet durch Kraftlinien und zwei Balkenbiegungen. Die Rillen sind frühere Kerbgründe. Die glatte Seite wird wegen der Balkenbiegung des Höckers immer tiefer abradiert.

1) Erster Zahnhalsdefekt

Wenn junge Erwachsene knirschen, dann biegen sich die Zähne im Bereich des Zahnhalses. Die Biegung verursacht einen Druck, der an der Oberfläche des Zahnhalses maximal gross ist. Deshalb wird dort das Dentin etwas weicher. In der Folge wird es beim Zähneputzen in kleinsten Mengen abgerieben. Nach etwa zehn Jahren ist der Defekt etwa ein Millimeter tief.

glatter keilförmiger Zahnhalsdefekt

44-jährige Patientin (03.10.2024 / 5710), Zahn -4

Keilförmiger Zahnhalsdefekt mit glatter Oberfläche ohne Kerbe.

2) Kerbe im Zahnhalsdefekt

Nun konzentrieren sich die Kraftlinien bei einem axialen Druck beim Zahnhalsdefekt. Das bewirkt eine zusätzliche Schwächung des äussersten Dentins. Deshalb entsteht jetzt durch das Zähneputzen eine Kerbe genau bei den zusammenlaufenden Kraftlinien.

 keilförmiger Zahnhalsdefekt mit einer Kerbe

44-jährige Patientin (03.10.2024 / 5710), Zahn -3

Zahnhalsdefekt mit Kerbe. Die Braunverfärbung zeigt, dass die Patientin nicht mehr knirscht und das Dentin im Zahnhalsdefekt hart ist.

3) Bildung weiterer Kerbgründe

Im tieferen Zahnhals führen Knirschen und Pressen zu Kraftlinienkonzentration und zweifachem Biegungsdruck. Deshalb wird der Kerbgrund immer tiefer. Beide Seiten des Zahnhalsdefektes werden gleich geputzt, aber nur die koronal gelegene Seite wird abradiert.

mehrere Kerbgründe im Zahnhalsdefekt

84-jähriger Patient (15.08.2024 / 1320), Zahn -5

Die glatte Seite des Defekts wird durch den Druck der Höckerbiegung aufgeweicht. Die gerillte Seite hat hartes Dentin und bleiben die früheren Kerbgründe sichtbar.


27Lochfrass.PNG
Explosionsartige Lochfrass-Korrosion
Beispiel bei einer Metallröhre. Die Metallkorrosion wird durch Hitze, Zug und einen hohen Chloridgehalt ausgelöst.

Lochfrasskorrosion

Beim Zahnhals entstehen hohe Zugspannungen, und im Speichel ist immer Chlorid vorhanden.

Calzium
Calzium als künstlich erzeugter, reiner Ca-Klumpen.

Calzium ist ein Erdalkali-Metall und im Unterschied zu Metall sehr reaktionsfreudig. Es bildet als Ca++ mit CO32− sofort CaCO3.


Molar
Sie können Haarriss und Spalt
mit der Maus untersuchen.


Haarriss


Randspalt

Amalgam
Schmelz
Amalgam
Komposit
Komposit
Dentin
Komposit
Dentin
Amalgam
Komposit

Haarriss und Randspalt

Hat es Bakterien in den Spalten?
Haarriss + Bakterien Haarriss + Bakterien

Haarriss und Randspalt sind beide etwa 5-10 μm breit. Sie haben also nur wenig Platz für Bakterien. Die Kolonien so klein, dass sie keine Karies verursachen können. Erst bei breiteren Spalten werden die Bakterien kariogen.

Haarriss + Sealer

Bei Kompositfüllungen ist der Randspalt mit Versiegler gefüllt und der Leerraum im Spalt trotz der Polymerisationsschrumpfung minimal klein.


Vermehrte mechanische Schäden im Alter
Schäden entstehen, wenn Maximalbelastungen auftreten und wenn ein zyklische Lasten die maximale zyklische Belastbarkeit überschreiten. Das heutige Alter der Menschen erreicht Werte, die noch nie vorgekommen sind. Es erfordert von den Zähnen eine Leistung, für die sie nicht geschaffen wurden. Ältere Patienten haben deshalb oft mehr mechanische Zahnschäden als Karies. Betroffen sind vor allem kräftige Leute. Einerseits nimmt die Zahl der Kauzyklen immer weiter zu, und andererseits nimmt die Zugfestigkeit des Dentins wegen der Obliteration immer weiter ab. Beide Faktoren kumulieren sich in der Wöhlerkurve der Zähne.


Dentinalterung
und
Sklerosierung

Junges und altes Dentin
Junges Dentin
hohle Dentintubuli, Mikrorisse (Pfeile)
Altes Dentin
sklerosierte Dentintubuli, keine Mikrorisse

2009 haben A. Nazari et al (AGING AND THE REDUCTION IN FRACTURE TOUGHNESS OF HUMAN DENTIN, J Mech Behav Biomed Mater. 2009 Oct; 2(5): 550–559.) gefunden, dass altes Dentin nur noch halb so zugfest ist wie junges. Das erklärt die Häufung der mechanischen Schäden bei den älteren Patienten, auch wenn sie ihre Zähne perfekt putzen und diese absolut kariesfrei sind.

Druckfestigkeit [N/mm²]

Knochen150
Dentin
Steinzeugfliesen
200-350
Schmelz300-450
Porzellan 500

Druckkräfte sind kein Problem ausser bei älteren Zähnen, auf denen man mit 300 N knirscht. Da entstehen Druckspannungen am Zahnhals von 100 MPa (siehe unten), und die Druckfestigkeit ist wahrscheinlich deutlich unter 200 MPa.


Kompositaufbau 5-
78-jährige Patientin (12.02.2020 / 3552)

Adhäsion: 20 mm² x 20 MPa = 400 N.
Abzugskraft Parapulpärschräubchen: je 100 N.
Totale Adhäsion: 600 N.

Adhäsion Komposit − Dentin

1998 fanden B. Haller et al in Beständigkeit der Dentinhaftung von Komposit und Kompomer - eine in-vitro-Studie über sechs Monate bei acht Materialien Haftwerte von 18 - 48 MPa.

Adhäsion an altem Dentin

Die Adhäsion sinkt an den Randfasern auf 30 MPa und peripulpär auf 16 MPa. Parapulpärschräubchen verbessern den Halt gegen Schub und Zug. Sie wandeln die Zugkraft, die beim Kauen entsteht, in der Tiefe des Bohrloches in Druckkräfte um.

Parapulpärschräubchen

Parapulpärschräubchen verbessern den Halt gegen Schub und gegen Zug. Sie wandeln die Zugkraft, die beim Kauen entsteht, in der Tiefe des Bohrloches in Druckkräfte um. Ihre Abzugskraft beträgt etwa 100 N ( vgl. hier, Kapitel 3.3.2.2)


34ZhWachstum3787.jpg
52-jährige Patientin (10.06.2020 / 3787)

Wachstum des keilförmigen Defekts

Von 2014 bis 2020 sind die Defekte etwa 0.5 mm tiefer geworden. Sie stören die Patientin nicht und sind auch in mehreren Jahren noch sehr gut reparierbar.


34ZhWachstum7148.jpg

Wachstum ohne Knirschen

49-jährige Patientin (18.06.2020 / 7148)

Die Patientin hat schon 1989 die Zähne 65- verloren. Obwohl der 5+ seither nicht mehr belastet wird, hat er einen tiefen keilförmigen Defekt. War er damals schon so tief? Wohl kaum, weil er erst seit kurzem stört.

Als Erklärung bleibt nur ein initial kleiner Zahnhalsdefek, der bloss durch 30 Jahre lang Zähneputzen mit abrasiver Zahnpasta so gross geworden ist. Vielleicht erklärt das die seltsame Form des Defekts. Ohne Belastungen ist keine Rezession entstanden und blieb der Defekt nur 1 mm hoch, wurde jedoch immer tiefer.

Wie kann eine Zahnbürste die Schmelzwand hohl legen? Der nächste Zahn 6+ hat keinen Zahnhalsdefekt, obwohl er doch genau gleich wie der 5+ geputzt wird.


Heavy Bruxismus und starkes Knirschen

Knirsch- oder Presszwang

Wer im Schlaf viel knirscht oder presst, hat beim Erwachen oft das Gefühl, einzelne Zähne passen nicht gut zusammen. Das stört, und man muss deshalb zuerst einige Minuten lang vorsichtig kauen, bis die Zähne wieder besser passen. In seltenen Fällen entwickelt sich daraus eine Gewohnheit: der Bruxismus. Das ist ein motorischer Tic ähnlich wie ständiges Augenzwinkern. Und es ist wie der Tinnitus eine ungewollte unwillkürliche Leistung des Gehirns. Aus den häufigen Bisskontrollen wird eine Gewohnheit, bestehend aus abrupten Knirsch- und Pressbewegungen und Beisskontrollen. Diese Gewohnheit kann Dauerschmerzen verursachen. Wie wird man sie wieder los?

Symptom

Bruxismus kann wie der Händewaschzwang (ICD-Code F42) zur Arbeitsunfähigkeit führen, wenn der Patient dauernd den Zahnarzt aufsuchen will. Sein Problem: wandernde anhaltende Schmerzen von oberen zu unteren Zähnen und vom Kiefergelenk bis zur Wange oder Stirn und zurück beim Essen und auch sonst. Sein Zahnarzt (und häufig zugleich auch mehrere andere Zahnärzte) soll(en) das "in Ordnung" bringen.

Kognitiver Ansatz

Solche Patienten denken, dass die Zahnstellung eine maximal präzise Sache sein muss, die man kontrollieren soll. Die Zähne passen sich aber von selber und ohne jegliche Kontrollen während des ganzen Lebens und immer wieder an die natürlichen Abnützungen und schwankenden Belastungen an. Nur in einigen Fällen entstehen ungünstige Zahnformen, die man einschleifen kann. Die Zähne verbessern auch ihre Anordnung von selber (meist in Richtung Engstand oder Lückenschluss). Und sie ziehen ihre Nerven zurück, wodurch sie weniger empfindlich werden.
Normal ist, dass man die Zähne praktisch nie zusammenbeisst, sondern in der Ruheschwebe hält, also einige Millimeter auseinander. Auch beim Essen ist es nicht nötig, immer mit maximaler Kraft zusammenzubeissen, sodass sich die Zähne beim Essen eigentlich auch nie berühren. Aber leider lässt sich Bruxismus kognitiv oft nur wenig beeinflussen.

"Sensorisches Feedback" mit Stopreflex

Ein leichter Schmerz im Moment des Knirschens löst bei den meisten Menschen einen Stopreflex aus. Die NTI-tss- und FOS-Knirscherschiene basieren auf diesem Stopreflex. Die meisten Patienten erholen sich mit diesen Schienen innert Tage oder weniger Wochen.

Einige Patienten können ihre Muskeln trotz der Knirscherschiene weiterhin ständig anspannen. Sie brauchen einen stärkeren Stopreflex. Der entsteht, wenn man eine Querkraft auf einen unteren Zahn leitet oder nur einen einzigen oberen statt zwei oder vier Frontzähne belastet.

NTI-Schiene auf nur einem Zahn FQ FN In einigen Fällen bewirken die Schienen nur eine gut erträgliche Normalkraft FN statt einer Querkraft FQ. Da kann man die Schiene an nur einem oberen Frontzahn befestigen.

Veranlagung

Kräftige, drahtige und ehrgeizige Menschen sind oft heavy Bruxer. Hinzu kommen die Patienten mit sehr elastischen Sehnen. Sie finden in vielen verschiedenen Unterkieferstellungen gut passende Zahnkontakte. Elastische Sehnen zeigen sich zum Beispiel auf den Fingerknöcheln:

Hier sucht die Patientin die beste Zahnstellung, indem sie das rechte Kiefergelenk mit einer Hand nach vorne schiebt und mit der anderen prüft, ob die oberen und unteren Zähne in der Mitte übereinstimmen.

'den Biss richten' 69-jährige Patientin (10.03.2020 / 2824)

Die Zahnstellung kann man nicht durch Beissen und Knirschen verbessern. Sie stimmt nie 100% perfekt in allen möglichen Stellungen und Lagen. Eine solche Anstrengung kann im Gegenteil erst recht Kiefer- und Zahnschmerzen verursachen.

Knirschgeräusche als Sonic Audio Waves

Die Knirschgeräusche sind einzigartig. Sie hängen von der Grösse des Mundraums, der Beschaffenheit der Zähne, der Art der Knirschbewegungen und von der Kraft der Kaumuskeln ab. Bei jedem Knackgeräsch entsteht eine mechanische Spannungsspitze. Sie bricht jeweils jäh ab und wird sofort wieder aufgebaut. Solche zyklischen Belastungen sind gefürchtet, weil sie Materialermüdung und Korrosion bewirken.
Die Beispiele zeigen 2-5 Knacktöne pro Sekunde. Bei 100 Knirschphasen pro Nacht zu je 5 Sekunden entstehen (2-5) x 5 x 100 = 1000 - 2500 Spannungspitzen. Das sind mehrfach viele wie beim Essen.

36SonicAudioWaves.jpg

A

B

C

D

1

2

3

4

5

6

7

8

9

1

2

3

4

0

0.5

1

1.5

2 sec

1

2

3

4

5

6

1

2

3

4

5

Quietscher

Die Kurven zeigen Knacktöne (spitzige hohe Peaks) und Kratzgeräusche (breite flache Berge).
A: nur Knacken oder Kratzen, B: nur Kratzen, C: jedem Knack folgt ein leises Kratzen, D mit Quietschtönen dazwischen.
Knacks verursachen Spannungsspitzen und Mikrorisse, Kratzer verursachen Attrition (Abschleifen der Zähne).

A

76-jähriger Patient (20.05.2019 / 6311)
Der Patient macht diese Geräusche mit einer einzigen, langen und langsamen Querbewegung.

B

84-jähriger Patient (23.10.2019 / 3225)
Dieser Patient macht viele kurze und rasche Seitbewegungen, etwa zwei pro Sekunde.

C

46-jähriger Patient (30.06.2020 / 3854)
Bei diesem Patienten entstehen beim Knirschen Gruppen von fünf bis sechs Spannungsspitzen. Bei jeder Gruppe bewegt er den Unterkiefer einmal ganz langsam über einige hintere Kauflächen. SonicWave

D

34-jähriger Patient (22.02.2021 / 7179)
Der Kopfbiss verursacht ein knarrendes Geräusch mit einzelnen Quietschern (Flachknirscher).

Verbiegung des Knochens
Drehpunkt =
Hypomochlion

"darunterliegender Hebel"
Unterstützungspunkt
Auflagepunkt
Angelpunkt
Stemmpunkt
Widerlager
Knirschen verbiegt den Alveolarknochen schon ab einer Kraft von 1 N (= ca. 100 Gramm).
Der Knochen ist jedoch verschieden dick, und die Wurzeln stecken verschieden tief im Knochen.
Wo er am dicksten ist und sich am wenigsten verbiegt, da ist der Drehpunkt des Systems Zahn/Alveolarknochen.
Wo er ganz dünn ist, da baut er sich bei grossen Belastungen ab. Es entstehen Rezessionen (mit Zahnfleischschwund, aber ohne Entzündung) und Fenestrationen (unsichtbarer Knochenschwund unter dem Zahnfleisch).
Die Verbiegung des Knochens verändert die Spannungen in der Wurzel nicht. Sie vergrössert nur den Federweg, bis die Spannungen entstehen. Somit darf die Verbiegung des Alveolarknochens bei der Berechnung der Lagerkräfte und Verbiegung der Zähne weggelassen werden.

372DrehpunktDVT.jpg
FQ
−FQ

Kleine Kraft

⇆ ± FQ

Grosse Kraft

1

2

Drehpunkte im DVT

Kleine Kraft: Der Drehpunkt liegt in der gewichteten Mitte der Sharpey-Fasern. Die Wurzelspitze ist dünner ist als der Zahnhals und hat weniger Sharpey-Fasern als der Zahnhals. Deshalb befindet sich der Drehpunkt näher beim Zahnhals als bei der Wurzelspitze.

Grosse Kraft: Die Wurzel drückt gegen die innere oder äussere Alveolenwand. Ist sie dick, so verformt sie sich nicht und ist ein starrer Drehpunkt. Ist sie dünn, so verbiegt sie sich, und der Drehpunkt verschiebt sich dorthin, wo der Knochen fester ist.

Beispiel 1: Dieser obere Frontzahn hat nur dünne Alveolenwände, welche zusammen mit der Wurzel bewegt werden. Der Drehpunkt liegt bei der Wurzelspitze, wo der Knochen dicker ist.
Beispiel 2: Dieser untere Frontzahn hat eine dicke innere Alveolenwand. Sie verbiegt sich nicht, und der Drehpunkt befindet sich am Rand dieser Knochenwand.


376DrehpunktModell.jpg

1

5

100

N

0

0.05

0.10

0.15

mm

Essen

Knirschen

Heavy
Bruxer

Unfall

Federweg
Sharpey-Fasern
Federweg Alveolarknochen
Haarrisse
Bruch
FQ

FQ

FQ verbiegt den Alveolarknochen. Der Federweg wird trotz grosser Kraft nur 0.05 mm grösser.
Haarrisse vergrössern den Federweg, bis ein Höcker, eine Wurzel oder der Knochen bricht.

Drehpunkt-Modell

Beim Essen befindet sich der Drehpunkt innerhalb der Wurzel im Zentrum der Sharpey-Fasern.

Beim Knirschen befindet sich der Drehpunkt vor, hinter oder über der Wurzel, je nachdem, wo der Knochen am stärksten ist.

Zuglagerung: Ohne Sharpey-Fasern würde die Wurzel überall gegen den Alveolarknochen drücken. Die Sharpey-Fasern verwandeln einen Teil der Querkraft jedoch in eine Zugkraft, die den Druck auf der gegenüberliegenden Seite mildert.


Grafik modifiziert aus Herbert F. Wolf et al.: Farbatlanten der Zahnmedizin, Band 1, Parodontologie, S. 460: Desmodontale und parodontale Zahnbeweglichkeit


Die Biegbarkeit der Zähne
Obwohl man es normalerweise weder glauben noch sehen kann: die Zähne verbiegen sich beim Knirschen. Und zwar biegen sie sich beim Zahnhals, weil hier der Zahn am schwächsten ist und zugleich die Sharpey-Fasern am stärksten.
Wie die Haut auf der Innenseite des Ellbogens beim Biegen zusammengedrückt wird und Falten bekommt, so wird auch das Dentin beim Zahnhals zusammengedrückt. Es bekommt zwar keine Falten, aber es wird "weichgeknetet" und ermüdet. Als Folge davon korrodieren die Apatitkristalle beim Zahnhals stärker als normal. Sie werden anfällig auf Säuren. Die Zahnbürste kann sie dann beim Zähneputzen nach und nach wegreiben, und es entsteht unmerklich ein keilförmiger Defekt.

Biegung Biegung
Linke Wurzel mit Zahnfleischschwund

Verbiegung beim Knirschen

Bei diesem Molar ist die linke Wurzel in einen Gipsblock eingegossen. Die rechte ragt in die Luft. Die Situation entspricht einem starken Knochenschwund mit Zahnstein bis zur Wurzelspitze. Nun wird die Wurzel rechts mit etwa 20 N quer angestossen. Weil die linke Wurzel fest ist und die rechte beweglich, muss sich der Zahn verbiegen.

Riss
Haarriss, 200 x

Ähnliche Belastungen gab es schon im Mund, weil die rechte Wurzel bereits einen Haarriss hat. Er entstand durch die Kombination von Knirschen und Zahnfleisch- schwund bei einer Wurzel.

In der Zone der Verbiegung wird das Dentin komprimiert und entstehen Spannungsspitzen.

385ZhDefekt5951.jpg
45-jährige Patientin (16.06.2020 / 5951)

Zähne mit und ohne Defekt

Der Zahn 34 hat zwei starke Schlifffacetten: eine links und eine rechts von der Höckerspitze. Es waren Millionen von Knirschbewegungen nötig, bis sie so gross geworden sind (Vergleich: 100'000 Herzschläge pro Tag). Der Höcker wird dabei jedesmal hin und her gepresst, und jedesmal verbiegt sich der Zahn mikroskopisch ganz leicht. Als Folge davon entstand der keilförmige Defekt beim Zahnhals.

Der Nachbarzahn 35 hat zwei leichte Kontakte mitten auf der Höckerspitze und im Grübchen. Er wird genau gleich geputzt wie der Zahn 34. Aber 35 wird beim Knirschen viel weniger belastet als 34. Deshalb hat er praktisch keinen Zahnhalsdefekt.

385ZhDefekt863.jpg
75-jähriger Patient (16.10.2023 / 863)

Wachstumsgeschwindigkeit
  = 1 Millimeter pro 10 Jahre

Der Zahnhals 15 hatte schon 2004 einen tiefen Zahnhalsdefekt und wurde damals mit Komposit gefüllt.

Seither hat sich das Zahnfleisch noch einmal um 2-3 Millimeter zurückgezogen. Deshalb ist die Wurzel unterhalb der Zahnhalsfüllung immer mehr an die Oberfläche gekommen.

Die Zahnbürste hat auch diesen tiefer gelegenen Teil der Wurzel abgerieben und innert 19 Jahren einen neuen tiefen Zahnhalsdefekt verursacht.

Zahnhalsfüllung von 2004 anzeigen
neuen Zahnhalsdefekt anzeigen

Verbiegung der Zähne

Die Querkraft an der Krone verbiegt den Zahn und verursacht Spannungen im Zahn und im Lager.

Zahn: Der Zahnhals hat keine Verstärkung und wird am meisten gebogen. Die zyklischen Druckspannungen beim Knirschen weichen das Apatit auf, weil sie die Korrosion erhöhen. (Korrosion = innere Spannungen + Korrosionsmedien + mechanischer Abrieb der Oberfläche). Die keilförmigen Defekte entstehen durch normales Zähneputzen.

Lager: Die Querkraft aktiviert zwei Zuglager: eines beim Zahnhals und ein entgegengesetztes bei der Wurzelspitze. Die Zugkraft beim Zahnhals ist doppelt so gross wie die Querkraft und wie die Lagerkraft bei der Wurzelspitze. Zudem verursacht das Lager beim Zahnhals zusammen mit der dort liegenden Pulpakammer erhöhte Scherspannungen, welche das Apatit ebenfalls aufweichen.

Wachstum: Je tiefer ein Zahnhalsdefekt, desto stärker werden die Spannungen und desto schneller wird er tiefer. Falls das Knirschen nicht aufhört, entstehen oft auch neben den Zahnhalsfüllungen neue keilförmige Defekte.

393VerbiegungZahn.PNG

Klassische
Balkenbiegung

FQ

Drehpunkt

Lager-
kraft

2 Versteifungen
und
1 Schwächung

① Alveolarknochen

② Schmelz

Spannungsspitze
beim Zahnhals

Zuglager

Zuglager

Pulpa-

kammer

Druck-

spitze

Klassische Balkenbiegung

Die Querkraft FQ biegt den Balken vor allem in der Mitte. Dort entstehen oben und unten grosse Spannungen (Druck und Zug, )

Versteifungen und Schwächung

Die Wurzel ① und die Krone ② sind versteift. Hingegen wird der Zahnhals durch eine breite Pulpakammer ③ geschwächt.
Somit ist der Zahnhals eine Soll-Biegestelle, welche die Krone beweglich macht und ihr erlaubt, den Kaudruck gleichmässig auf die Nachbarzähne zu verteilen.

Druck gegenüber dem Zuglager

Die Sharpey-Fasern sind ein Zuglager. Sie sind nicht dehnbar und verhindern zusammen mit den weichen Blutgefässen zwischen ihnen jeden Druck im Lager. Ein Druck auf die Lagerwände bewirkt nämlich einen Knochenabbau.
Gegenübder dem Zuglager entstehen Druckspitzen im Dentin. Sie führen zu keilförmigen Defekten.


Krone‚ Zahnhals‚ Wurzel
Lager-Aufgabe
Krone, Zahnhals und Wurzel haben verschiedene Aufgaben und erfahren verschiedene Kräfte und Spannungen.
  • Krone + Kauen: Die Krone hat eine abriebfeste, steife Sandwich-Struktur aus Schmelz und Dentin. Beim Knirschen entstehen Spannungsspitzen am äussersten Schmelzrand.
  • Zahnhals + Verbiegung: Der Zahnhals wird nur hinten und seitlich von Knochen gestützt. Vorne ist er frei. Und in er Mitte bildet die Pulpa das Cavum, eine grosse Höhle. Somit ist der Zahnhals nach vorne gut biegbar und entstehen vorne Spannungsspitzen.
  • Wurzel + Lager: Die Wurzel wird allseitig vom Alveolarknochen verstärkt. Er ist das Lager. Es muss den Zahnnerv vor zu starker Intrusion und Protrusion schützen. geschieht durch die V-Form der Wurzel, durch die Verschiebung des Drehpunktes
    zur Wurzelspitze, so dass letztere bei einer Protrusion nur minimal ausschwenkt.

Der Zahn hat drei Beweglichkeitsstufen:

  • Weicher Bereich (0-1 N): EssenAuslenkung gemäss Sharpey-Fasern
    Kleine Kräfte kippen die Zähne elastisch etwa 0.15 mm zur Seite oder drücken sie so viel in den Knochen hinein. Die Elastizität beruht auf den Sharpey-Fasern (E-Modul 0.5 GPa) und entspricht dem Hooke'schen Gesetz Δℓ = E · ℓ.
  • Harter Bereich (1-50 N): Knirschen Auslenkung gemäss Dentin und Knochen
    Das Ende des Federwegs ist erreicht, und die Sharpey-Fasern sind maximal gedehnt resp. werden maximal gegen den Alveolarknochen gequetscht. Die zusätzliche Auslenkung beruht auf der Elastizität von Dentin und Knochen (E-Modul 11-20 GPa).
  • Frakturbereich (> 50 N): Heavy BruxismNicht-elastische Auslenkung mit Mikrorissen
    Die Grenze des Bereichs variiert beträchtlich gemäss Zahn, Alter, schiefe Ebene usw.

41DreiZonen.PNG

Wurzel

Zahnhals

Krone

I

V

Drehpunkt bei −FQ
Wurzelspitze mit
wenig Druck/Zug
variabler
Drehpunkt FQ
sehr dünne
Alveolenwand
(elastisch)
Spannungs-
spitze wegen
Verbiegung
keine
 Verbiegung

FQ

-FQ

FN

Druck
Zug
Sharpey-Fasern
Knochen
Gingiva
Abradierter Zahn
im Kopfbiss: nur Zug
I
V
DVT Frontzahn
Roter Pfeil = normale Querkraft FQ

Wird ein Frontzahn von hinten nach vorne gedrückt wie beim Kauen (grüner Pfeil), dann werden alle oben gezeichneten Strukturen sinngemäss belastet und entsteht das Gefühl, dass man diesen Druck stundenlang aushalten kann.

Rot schraffierter Pfeil = Kreuzbiss-Querkraft -FQ

Sobald man aber den Zahn nach hinten drückt (roter Pfeil), entsteht sofort ein deutliches Unwohlsein. Es verstärkt sich rasch zu einem Schmerz und signalisiert, dass der Zahn auf eine solche Belastung nicht vorbereitet ist. Die Sharpey-Fasern werden falsch belastet, und der Nerv bei der Wurzelspitze ist in Gefahr.

Die Wurzel hat mitten im V-förmigen Teil einen Drehpunkt. Es intrudiert eine Wurzelhälfte und extrudiert die andere. Dabei entsteht eine axiale Scherkraft, welche Wurzel-Längsfrakturen verursachen kann. Die dünne Aussenwand der Alveole ist nicht sehr druckfest.


Der Zahnhals ist ein offenes Zuglager mit fehlender Vorderseite. Bei ihr entsteht eine spezielle Druckspitze.
Die Krone hat die gleichen Spannungen wie ein Kragbalken. Allerdings hat sie eine Sandwich-Bauweise mit Dentin und Schmelz, deren E-Module die Spannungen verschieden aufnehmen.

Balkentypen
axiale
Scherkraft
F
Drehpunkt
Implantat (=Balken)
F
max. Zug
max. Druck
Zahnhals mit Druckspitze
F
Zug
Druckspitze

Krone
zum mal dreinschauen:
Definitionen: Studyhelp
Hebelgesetz: Lagerkräfte
Balkentheorie: maschinenbau
Scherung: studyflix
E-Modul: chemie.de
G-Modul: W. Grzebieluch et al

Die Frontzahn-Krone ragt wie ein Kragbalken (Wiki) aus dem Zahnfleisch. Die Kaumuskeln belasten sie axial (Zug und Druck) und quer nach vorne (Scherspannung), was im Zahn drinnen ähnliche Spannungen verursacht wie in der Balkentheorie. Diese wurde erstmals vor 500 Jahren entworfen (Leonardo da Vinci, Galileo Galilei) und wird auch heute noch immer weiter erforscht und entwickelt, wie folgende Jahreszahlen zeigen:

  • um 1750 beschrieb Bernoulli Zug und Druck. Sie sind zentral = 0 und am Rand maximal gross.
  • um 1920 beschrieb Timoshenko die Scherspannungen. Sie sind zentral gross und am Rand = 0.
  • um 1950 erste Finite-Element-Analyse (FEA) mit Computer.
  • ab 2000 grosse FEA-Softwarepakete für fast alle beliebigen Werkstücke.

Kronentypen

43Balkentypen.PNG

Kompositaufbau

Zahn

VMK−Krone

Implantat+Zirkon

Biegung durch Zug und Druck
Zug
Druck
Kaukraft FQ
E−Modul
[GPa]
15
15
15
15
15
25
40
80
15
100
100
100
200
200

Verzerrung durch die Scherkraft
ℓ = 11 mm
A = 30 mm²
4 mm
30 mm²
2 mm
20−30 mm²
1 mm
10 mm²

Der Zahn verkörpert zwei verschiedene Bauweisen: die Wurzel ist massiv (Dentin), und die Krone hat eine Sandwichstruktur mit verschiedenen E-Modulen (Schmelz-Dentin-Schmelz).
Die Spannungen verteilen sich in der Wurzel im klassischen Sinne der Balkentheorie.
In der Krone hingegen werden die Spannungen mit der Sandwichberechnung dargestellt.

Zur Sandwichstruktur kommt natürlich noch der Hohlraum der Pulpakammer oder einer Wurzelfüllung. Dieser ist bei jungen und alten Patienten sehr verschieden.

Kronentypen

Kompositaufbau: Druck, Zug und Scherung sind im ganzen Aufbau gleichmässig.

Zahn: Der Schmelz versteift den Zahn graduell vom Zahnhals bis zur Schneidekante.

Porzellankrone (VMK): Die Krone ist steif. Die Spannungen konzentrieren sich am Zahnhals.

Implantat: Die Spannungsspitzen liegen im schlanken Sekundärteil subgingival.

Zug und Druck  

Zug = Dehnung (+),   Druck = Kompression (-)
Maximalwerte an der Oberfläche (Zentrum neutral)

Scherkraft

Die Scherkraft bewirkt eine Schubverzerrung je nach dem Schubmodul G
Maximalwerte im Zentrum (Oberfläche neutral)

E-Module [GPa]   σ = E · Δℓ/ℓ0

MaterialE-ModulBalkentyp
Guttapercha
Sehne
0.14
0.5
Holz
Knochen, Dentin, Komposit
10-15
11-20
Schmelz, Amalgam50-85
Estheticor special, Titan100
Zirkon250

G-Module [GPa]   τ = G · Δx/ℓ0

MaterialG-ModulBalkentyp
Dentin, Komposit7① ② ③
Titan41

Zahnhals
Beim Zahnhals beginnt das Lager des Zahnes (Alveole). Seine Grenze ist wellenförmig und nicht wie eine Linie so wie bei einem eingemauerten Balken. Die obersten Sharpey-Fasern befinden sich seitlich des Zahnes (=proximal), die übrigen befinden sich auf seiner Rückfläche. Die vordere Fläche des Zahnhalses hat keine Sharpey-Fasern. Deshalb ist der Zahnhals ein reines Zuglager. Je mehr Belastungen es aufnehmen kann, desto weniger Kräfte entstehen an der Wurzelspitze, wo der Nerv geschützt werden muss, und desto weniger belasten sie die dünne Aussenwand der Alveole.

Wellenförmiger Alveolarrand Molar

46Zahnhals5834.jpg
oberer
Alveolarrand
zwischen
den
Zähnen
unterer
Alveolarrand
auf der
Wangenseite
Knirsch-
facette
Kerbe
proximale
 Sharpey-Fasern 

53-jähriger Patient (10.02.2020 / 5834)

Mitten im Zahnhals von 6- ist eine scharfe horizontale Kerbe. Darüber liegt eine grosse Knirschfacette.
Die Kerbe liegt genau dort, wo man Spannungsspitzen vermuten darf, die beim Knirschen entstehen.
Sie liegt ziemlich nahe bei der durchschnittlichen Höhe des wellenförmig verlaufenden Alveolarrandes.

Wellenförmiger Alveolarrand Frontzahn

Alveolarrand Front

1
2
3

1) +2 mit wellenförmigem Alveolarrand
2) +3 mit einer Dehiszenz bei normaler Zahnbeweglichkeit
3) +3 mit einer Fenestration und einer dünnen Aussenwand.

Die Bilder 2 und 3 weisen darauf hin, dass die Aussenwand der Alveole nur eine minimale Rolle spielt. Offenbar sind die Zähne vor allem an der Innenwand befestigt. Die Sharpey-Fasern bilden apikal ein Druckpolster und koronal ein Zuglager. Bei einer Hyperbalance ist es umgekehrt, was sich sofort unangenehm anfühlt.

47Col.PNG

① klassisches Balkenlager

F
Zugspitze
Druckspitze
Druckspitze
Lager
starr

② Zuglager in der Alveole

F
Zug
Zug
proximale
Sharpey-Fasern
Lager
elastisch
Lager starr
Druck

Die proximale Alveolarwand

Zwischen den Zähnen befindet sich die proximale Alveolarwand. Sie hat eine interessante mechanische Funktion: Der Zug an diesen Fasern verkleinert den Druck an der Wurzelspitze.

Exakt am Rand des klassischen Balkenlagers entstehen die grössten Spannungen.

Die proximalen Sharpey-Fasern sind horizontal ausgerichtet und nehmen den grössten Teil der Querkraft auf. So vermindern sie die Zug- und Druckspannungen bei der Wurzelspitze.


Wurzel
Schädel
Die Wurzeln sind aussen nur mit einem
dünnen Knochen bedeckt, so dass man
jede sehen kann. Dieser Knochen wird
bei Druck rasch abgebaut (Rezession).

Die Wurzel ist im weich-elastischen Parodont gelagert. Es ist etwa 0.25 mm dick und enthält die Sharpey-Fasern. Rund herum ist der hart-elastische Alveolarknochen. Diese Kombination schützt den Zahnnerven wie folgt:

  • bis 10 N: beim Kauen und Abbeissen federt die Höckerspitze oder Schneidekante etwa 0.15 mm auf und ab (Intrusion) oder hin und her (Protrusion).
  • bis 100 N: beim Knirschen wird das Desmodont gegen den Alveolarknochen gepresst. Er verformt sich um einige μm.
  • bis 600 N: heavy Bruxer können einen so hohen Druck schmerzfrei ertragen! Aber nun verbiegt sich der Zahn, entstehen feine Risse im Dentin, und beginnen die Zähne nach wenigen Jahrzehnten zu brechen.

Protrusion mit 10 N = 0.15 mm

Zahn kippt
68-jähriger Patient (06.06.2020 / 4019)

Hier drücke ich den Zahn -1 mit etwa 10 N nach vorne (FQ).
Er bewegt sich bei der Schneidekante etwa 0.15 mm und beim Zahnfleisch etwa 0.10 mm nach vorne. Folglich befindet sich der Drehpunkt ganz unten in der Alveole.

Sharpey-Fasern Protrusion
FQ
Zug
Druck

Befndet sich der Drehpunkt bei der Wurzelspitze, so stört die Querkraft FQ den Nerv am wenigsten.
Beim Kippen werden die Sharpey-Fasern auf einer Seite gedehnt und auf der anderen gequetscht. So entstehen Zug und Druck, welche gemeinsam der Querkraft FQ entgegenstehen. Bei noch grösserer Querkraft nehmen Zug und Druck zu und verformt sich der Alveolarknochen, wobei sich dann die Zähne nur noch wenig bewegen.

Schutz der Wurzelspitze

Druck im V- und I-Bereich
Lagerdruck [N/mm2]
V-Region🡺🡺🡺
I-Region🡺
Kaukraft [N]

Die Wurzel hat eine Grundrissfläche von 30 mm². Sie sinkt bei 10 N etwa 0.15 mm tief ein. Bei höheren Kräften ist kein weiteres Einsinken mehr sichtbar. Der Druck in der V-Region steigt proportional mit der Normalkraft FN. s¯V-Region = FN / 30 MPa.

Aber in der I-Region beim Nerv beträgt er maximal
s¯max I-Region = 10 N / 30 mm² = 0.3 MPa.

Allerdings werden die Zähne bei starken Knirschern kaltempfindlich. Offenbar wird der Nerv ab 100 N Kaukraft doch mit etwas mehr als 0.3 MPa belastet.

Zug- und Drucklager

Die Sharpey Fasern verbinden die Wurzel in verschiedenen Richtungen mit dem Alveolarknochen. 10% des Volumens besteht aus Blutgefässen. Sie können ihr Volumen verschieben und so lokale Druckspitzen bei einer Raumverkleinerung sofort abbauen. Drückt eine Kraft gegen den Zahn, so kippt er etwa 0.15 mm. Die Fasern lenken den Druck zu einem Zug, indem sie sich strecken und am Knochen ziehen. Auf der gegenüberliegenden Seite werden die Fasern gefaltet und wird der Raum kleiner.

Auf dauernden Druck reagiert der Alveolarknochen übrigens mit einer Zahnverschiebung und einem entsprechenden Knochenumbau oder -abbau. Darauf beruhen die kieferorthopädischen Apparate, und deshalb kann Knirschen eine Zahnwanderung verursachen.


Am Eingang der Alveole verlaufen die Fasern horizontal. Sie fixieren den Zahnhals, so dass er sich bei einer Querkraft nicht bewegt.

SharpeyFasern Zahn gekippt

  Faser-
Richtungen

dicker
Knochen
hinten
dünner
Knochen
vorne
vertikal
- - - aufsteigend - - -
- - - aufsteigend - - -
-- horizontal --
-- absteigend --

  Blut-
gefässe

arteriell
venös

  Druck-
vermeidung

F

Drehpunkt
Δ 0.1 mm
Δ 0.01 mm
Volumen
der Blut-
gefässe
Zone zug- und druckfrei
 sonst kaltempfindlich
Zone mit wenig Zug
Zone
mit
viel
Zug
Zone der Rezessionen
Zone der keilförmigen Defekte und Balkenbiegung
Zone
mit
Zugmax

Zahn
in
Ruhelage

Zahn
um 0.1 mm
gekippt

Mechanik des Zuglagers

1. Sharpey-Fasern

Wurzelspitze: Vertikale Fasern verhindern die Luxation des Zahnes.

Wurzelmitte: Aufsteigende Fasern verhindern die Intrusion des Zahnes und die Quetschung des Nervs bei der Wurzelspitze.

Zahnhals: Horizontale Fasern verhindern die Kippung des Zahnes über 0.1 mm.

2. Blutgefässe

Die Blutgefässe können durch Abschwellen den Druck bei einer Zahnkippung sofort vermindern.

3. Drehpunkt

Je näher der Drehpunkt bei der Wurzelspitze ist, desto weniger rotiert die Wurzelspitze bei einer Querkraft F und desto weniger wird der Nerv bei der Wurzelspitze gedehnt.

4. Rezessionen und keilförmige Defekte

In dieser Zone entsteht beim Knirschen Druck gegen den Knochen vorne und im Inneren des Zahnes wegen der Verbiegung des Zahnes. Auf chronischen Druck reagiert der Knochen mit einer Rückbildung (Rezession). Die Druckspitzen im Zahn lockern das Dentin an der Oberfläche, sodass keilförmige Defekte entstehen.


Ein einfaches Zahnmodell
Das Modell berücksichtigt FN und FQ in der Krone, im Zahnhals und in der Alveole. Die Scherkräfte werden nicht berücksichtigt.
  • Die Normalkraft wirkt überall mit σN = FN/Area.
  • In der Krone wirkt die Balkenformel σQ = FQ * Hebel * AbstandZurNeutrallinie / inertia.
  • Beim Zahnhals schwächen die Sharpey-Fasern die FQ in der Balkenformel ab.
  • In der Alveole wirken nur noch die Normalkraft und die Lagerkräfte F_Mitte und F_Apex.

 Finites Element   Ein Pixel entspricht 1/100 mm3. FN und FQ bewirken je eine Spannung σN und σQ in N/mm². Sie werden im Pixel nicht mehr unterschieden, sondern miteinander addiert und als Summe mit einer Pixelfarbe angezeigt.

 Koordinaten x, y, z [ mm ] x ist die Längsachse des Zahns, y die mesiodistale Dimension, und z verläft orofazial. Die Kaukraft führt zu einer orofazialen Verbiegung des Zahnes.

 Fläche A [ mm² ] A ist ein Zahnquerschnitt und ähnelt einer Ellipse mit A = z · y · π. Bei der
Pulpakammer ähnelt die Fläche einem Ellipsenring: A = (z·y - z'·y') · π.

 Kaukraft F [ N ] F setzt sich aus zwei Komponenten zusammen. F = FN + FQ
Die Normalkraft FN wirkt axial (Zug und Druck), und die Querkraft NQ verursacht via Winkelhebel z und ℓ auf den peripheren Randfasern einen axialen Zug und Druck sowie in der Zahnmitte eine quere Scherspannung.

 Drehmoment M [ Nm ]   Ein Hebel plus Kraft bewirkt eine Bewegungskraft M = FQ · ℓ.

 Flächenträgheitsmoment inertia I [ m4 ] I (engl. inertia) ist eine Rechenhilfe zur Ermittlung der Biegung des Balkens. I gewichtet die Balkengeometrie (quadratisch, rund, hochkant, flach usw.). Bei einem elliptischen Querschnitt ist I = π · z3 · y / 4 , wenn die Biegung über z (orofazial) erfolgt. Davon wird die Pulpakammer mit den Radien z' und y' abgezogen: I = π · (z3·y - z'3·y') / 4 .

 Biegewiderstandsmoment W [ m3 ] W ist auch eine Rechenhilfe: W = I / z. Je grösser W, desto kleiner wird die Biegespannung σ wegen σ = M / W.

 Spannung σ, τ [ N/mm² ] σ ist die Summe zweier Komponenten: σ (FN) bewirkt einen harmlosen axialen Druck auf dem ganzen Querschnitt, und σ (FQ) bewirkt via Winkelhebel z und ℓ in den Randfasern einen Zug oder Druck. τ (FQ) bewirkt vor allem in der Neutralfaser (=Pulpa) die Scherspannung.

Zug und Druck σ   =   FN   +   FQ · ℓ · z   =   M · z   =   M   =   E · ε
A inertia inertia W

Die Spannungsverteilung in der Krone ist sprunghaft wegen den verschiedenen E-Modulen von Schmelz und Dentin.

 E-Modul E [ N/mm² ]   E ist die Kraft, die einen Stab einen Millimeter dehnen oder stauchen kann. Je kleiner E, desto dehnbarer ist das Material.

E-Module [GPa]:Zirkon 245Gold 100Schmelz80Dentin15Komposit5Sharpey-Fasern0.5

 Dehnung und Stauchung ε [ oft in % ] ε hängt vom E-Modul ab (=Elastizität des Materials). Die Längenänderungen pro Druck resp. pro Zug, sofern sie unter 0.2% liegen, sind etwa gleich gross (abgesehen vom Vorzeichen).

Dehnung ε   =   Δℓ   =   σ   Δℓ = Längenänderung [mm]
  E = E-Modul [N/mm²]
E

 Lager

Normalkraft FN:
Bei axialen Belastungen gilt:
  • Bis zur Wurzelmitte ist das Desmodont unter Zug, unter der Wurzelmitte und am Apex unter Druck.
  • s¯N nimmt deshalb ab der Wurzelmitte kontinuierlich ab bis auf 0.3 MPa am Apex.
Daraus folgt:

Flächenlast s¯N = FN / Wurzeloberfläche.

Ein Frontzahn (Desmodont: 150 mm²) beginnt ab einer FN von 15 N zu schmerzen. Offenbar ist s¯N = 0.1 MPa eine Belastungsgrenze. Auch wenn eine kleinere Kraft längere Zeit anhält, beginnt der Zahn zu schmerzen. Werden die Fasern dann durch Verdrängung von Flüssigkeit zunehmend gedehnt?

Querkraft FQ:
Die Querkraft verursacht zwei entgegengesetzte Lagerkräfte. Die Situation entspricht einem "frei aufliegenden Träger mit einer Einzellast" (resp. einem PumpstuhlBild Pumpstuhl ).
Die
Streckenlasten q1, q2 [N/m]
dienen als ein simples Modell für die Lagerkräfte:

ΣF: q2·ℓ2 − FQq1·ℓ1 = 0   (Kräftegleichgewicht)
q1 = (q2·ℓ2 FQ) / ( ℓ1 )  q1 = FQ·(ℓ- ℓ1-½2) / ℓ1·½(ℓ1+ℓ2)
ΣM: q2·ℓ2·(ℓ1 + ½2)  −  FQ·ℓ  −  q1·ℓ1 · (½1) = 0   (Momentengleichgew.)
q1 = (q2·ℓ2·(ℓ1 + ½2)  − FQ·ℓ )  /  (ℓ1½ ℓ1) 
aus und , ·ℓ1: (q2·ℓ2 · (ℓ1 + ½2)  − FQ·ℓ )  /  (½ 1) = q2·ℓ2 FQ
·½ 1: q2·ℓ2 · (ℓ1 + ½2½1 ) = FQ·ℓ − FQ·½ 1 FQ = 10 N, ℓ = 20 mm
q2 nach links umstellen: q2 = FQ·(ℓ − ½ 1)   /2·½ (ℓ1 + ℓ2)   ℓ1 = mm
q1 = 10 N/mm   q2 = 14 N/mm     ℓ2 = mm

q1 ist etwa halb so gross wie q2. q1 + q2 ist am kleinsten, wenn ℓ1 etwa 20% grösser ist als ℓ2.

 Scherung und Schubkräfte   Sie bewirken in der Zahnmitte Spannungen quer zur Zahnachse und verursachen Verformungen quer zur Zahnachse (Scherung). Sie sind wahrscheinlich ein Cofaktor bei Wurzel-Längsfrakturen.

Scherspannung τ   =   FQ / A (Näherung für ein mittleres τ, A = Querschnittsfläche)
Beispiel: FQ = 100 N, A = 30 mm2, τ = 3.33 MPa.
Die Dauerfestigkeit des Dentins kann 4-7 MPa betragen. Nach einer

 Grundlagen

x-y-z-Koordinaten

  x-, y-, z-Achse  

Die Achsen X, Y und Z sind eine Konvention in der Festigkeitslehre. Die Biegung erfolgt immer in der Z-Achse.
Ellipse
z
z'
y'
y

  Fläche F  

Ellipse mit den Radien z und z' (orofazial) sowie y und y' (mesiodistal)
Kraftkomponenten Frontzahn
FN
F
FQ

  Kaukraft F  

Aufteilung der Kaukraft (F) in die Normalkraft (FN) und die Querkraft (FQ)

 Spannungen in der Krone

Widerstandsmoment
A1
A2

 Flächenträgheits-
 moment I

Die Flächen A1 und A2 sind etwa gleich gross (rot umrandet). Aber nur A2 bricht wegen dem kleineren Radius z.

σ = F / A = E · ε

  Spannung σ  

Hooke'sches Gesetz für Balken
Spannungsverlauf
Zug
Druck
F

 Spannungen je
 nach dem E-Modul

Es entstehen Zug und Druck gemäss der Balkentheorie.

Spannungs-Dehnungs-Diagramm
σ
Zug
E
ε
−0.2  0.2%
Druck
Hooke'sches
  Gesetz

 Dehnung und
 Stauchung ε

Bei ε < 0.2% ist die Dehnung reversibel. Ab 0.2% entstehen Mikrorisse.

 Spannungen in der Wurzel


Normalkraft
FN
−FN

 Lagereffekt von FN

Überall Zug. Wenig Druck am Apex dank der V-Form der Wurzel. In der Wurzel nimmt der Druck kontinuierlich ab.

Halterung variabel
q1
q2
FQ

 Lagereffekt von FQ

Grösster Zug am Zahnhals (q2), weniger an der Wurzel (q1), und überall nur wenig Druck.

Lagereffekte
Zug
A
Druck

 Lagerung durch
 Sharpey-Fasern

Der röhrenförmige Alveolarknochen (A) verwandelt Zug in Druck. Die Länge der Sharpey-Fasern limitiert den Druck.

Q1 und Q2
FQ=10 N, ℓ=20 mm
 N 
mm
10
7.5
5
2.5
1
4
5
6
7 mm
2
6
5
4
3 mm
q2
q1

 Streckenlasten q1, q2

Beim Optimum kreuzen sich die beiden Kurven. q1 und q1 haben beide etwa 6 N/mm, und ℓ1 : ℓ2 ist etwa 4.2 : 5.8 mm.

Die Spannungen im Frontzahn
Hebelgesetz Frontzahn Noch in meiner Studienzeit um 1980 lernte ich, dass die keilförmige Zahnhalsdefekte ein Putzschaden sind. Schuld sei der Patient, der mit der Zahnbürste "horizontale Putzbewegungen" mache und auf diese Weise die Zahnhälse wegschrubbe. Er solle besser "von rot nach weiss" putzen, die Zahnbürste also in hochovalen Kreisen bewegen.

Wir hatten damals noch kein Internt und keinen PC und konnten nur in den Vorlesungen aufschreiben, was die Professoren sagten. Sie sagten nie, dass im Zahn beim Essen Spannungen entstehen. Und niemand dachte daran, dass ab einer gewissen Kaukraft an der Zahnoberfläche Spannungsspitzen entstehen können, die im Dentin Mikrorisse verursachen und es allmählich aufweichen.
Die Formen der Zahnhalsdefekte entsprechen genau dem Verlauf der Spannungsspitzen.

Abrasion mm (0-5)
Zahnhalsdefekt mm (0-2)
Mikro-/Haarriss
Aufbisswinkel ° (-90 bis +90)
KaukraftN (schwarzer Pfeil)
Alveolarrand
palatinal(13-18 mm)
mesial(10-18 mm)
distal(10-18 mm)
bukkal (Rezession)(12-18 mm)
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Sie können mit der Maus diese graue Scheibe verschieben.
2 Parapulpär-
schräubchen ➔
10 N, 45°
10 N, 45°
10 N, 45°
10 N, 45°
10 N, 45°
10 N, 0°
10 N, 10°
10 N, 80°

Video _Knirschen_auf_Frontzahn Knirschen

Wie entstehen keilförmige Defekte?

Meistens durch die Druckspitzen, aber auch durch Zugspitzen am Zahnhals. Beachte: Druckfestigkeit = 300 MPa, Zugfestigkeit = 15 MPa.

Druck
stumpfwinkliger keilförmiger Zahnhalsdefekt
75-jähriger Patient (16.12.2019 / 217)
Zug + Haarriss
spitzwinkliger keilförmiger Zahnhalsdefekt
73-jährige Patientin (10.12.2019 / 2339)
Zug und Druck

55-jährige Patientin (13.01.2020 / 893)

Die Spannungen in den Höckern
Hebelgesetz Seitenzahn

Die Grafik der Spannungslinien in den Höckern von Pämolaren und Molaren zeigt drei Orte, wo Spannungsspitzen auftreten. An jedem Ort lockert sich die Zahnsubstanz (mechanischer Schaden). Sie kann beim Zähneputzen und Essen (Rohkost) zu breiten und tiefen Erosionen erweitert werden. Es resultieren drei verschiedene nicht-kariöse Zahnschäden:

  1. erodierte Höckerspitzen,
  2. keilförmige Zahnhalsdefekte, und
  3. Haarrisse und Höckerfrakturen neben Amalgamfüllungen.

Abrasion(0-1.5 mm)
LängeHöcker (3-6 mm)
Höckerbasis(0-2 mm)
Höckertiefe(1-5 mm)
Zahnbreite(6-11 mm)
Aufbisswinkel (-90 bis +90°)
Kaukraft (1-150 N)
schwarzer Pfeil
Messpunkte
Höckerbasis
Axialkraft N blauer Pfeil
Querkraft N roter Pfeil
Druckmax N/mm²
Zugmax N/mm²

Sie können mit der Maus die graue Scheibe
beim schwarzen Pfeil verschieben.

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20 N
 45°
0-100 N
  45°

100 N
 30°
0-100 N
 60°

300 N
 0°
0-600 N
 0°

40 N
-45°
40 N
  0°
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erstellt: 08.08.2019 - 20.11.2024