Die Zahnstellung ist bei jedem Menschen wieder anders und hat eine ästhetische und eine funktionelle Bedeutung. Gemeint ist die Ästhetik der "social six" (der oberen sechs Frontzähne) sowie die Okklusion, also die Gesamtheit der Berührungspunkte und Nahkontakte zwischen den oberen und unteren Zähnen beim Zubeissen. Die Zahnstellung und diese Kontakte verändern sich laufend, aber normalerweise so langsam, dass man es selber nicht merkt:
Manchmal ändert sich die Zahnstellung rasch oder beginnen zu schmerzen auch ohne Karies:
Bei einer schweren Parodontitis lockern und verschieben sich die Zähne.
Im hohen Alter lässt die Kaukraft nach und beginnen die Zähne zu wandern.
Schwer demente Menschen hören auf zu kauen und saugen nur noch. Ihre Lippen und Wangen drücken alle Zähne nach innen.
Erosion: ausgehöhlte Stelle auf einer Kauflächelinks: Kaum ist der Milchzahn herausgefallen, wird der bleibende Zahn sichtbar. Oft kann man sich nicht vorstellen, dass er eine schöe Zahnstellung bekommen wird. So fragte sich auch die Mutter dieses Mädchens, ob es jetzt nicht "eine Spange" braucht.
rechts: Innerhalb eines Jahres hat sich der Zahn aber von selbst (durch den Druck der Zunge) in die richtige Position verschoben. Es war absolut keine Spange notwendig.
Auf dieses Bild hat mich Dr. med. dent. Peter Göllner aufmerksam gemacht.
Es wurde publiziert im American Journal of Orthodontics,
Volume 40, Issue 4, April 1954, Pages 298-312 von P. R. Begg, Adelaide, Australia unter
Stone Age Man's Dentition
With Reference to anatomically correct Occlusion, the etiology of
Malocclusion, and a technique for its Treatment.
Das Gebiss stammt aus dem 7.-15. Jh, Sains-en-Gohelle, Pas-de-Calais, Frankreich
Beachte den extremen Zahnsteinbefall bei allen Zähnen. Die Lücke im Vordergrund könnte durch die Zahnfleischentzündung entstanden sein.
Die Zähne sind ausschliesslich durch die damalige Nahrung abgeschliffen worden. Es fehlten der heutige Stress, die heutigen sauren Esswaren und Getränke sowie die heutigen zahnärztlichen Eingriffe.
Ein selten schönes Gebiss mit idealer Okklusion. Die Mittellinien der oberen und unteren Zähne stimmen genau übereinander.
Ein so schönes Gebiss ist eine seltene Ausnahme. Der Patient hat keine Vorteile davon, ausser dass die Zahnärzte begeistert sind.
Die funktionellen Okklusionstypen (nach Weilenmann) beschreiben die Winkel und Flächen der Zahnkontakte im Millimeterbereich. In ungünstigen Fällen verursachen sie kaltempfindliche Zähne, Kauschmerzen, Zahnfrakturen usw. Sie entstehen häufig nur bei hohen Kaukräften, wenn sie auf besonders schiefe oder breitfläige (=stumpfen) Kontaktflächen treffen.
Klasse I | die ideale Verzahnung, etwa bei 60% aller Menschen |
---|---|
Klasse II | der Unterkiefer ist kürzer als der Oberkiefer, bei 20-30% der Menschen |
Klasse III | der Unterkiefer ist länger als der Oberkiefer, bei 10% der Menschen |
Tiefbiss | die unteren Schneidezähne beissen in den Gaumen hinein |
Deckbiss | die oberen Schneidezähne beissen auf das untere Zahnfleisch |
Kopfbiss | die Schneidezähne beissen "Kopf auf Kopf" aufeinander |
Kreuzbiss | ein unterer Zahn steht weiter aussen wie der obere Gegenzahn |
V-Kontakt | ein langer Höcker beisst in eine tiefe Kaudelle (V=V-förmig) |
---|---|
L-Kontakt | ein Zahn beisst auf einen flachen Zahn, der aber noch einen hohen Höcker hat (L=L-förmig) |
T-Kontakt | zwei flache Zähne treffen breitflächig aufeinander (T=Tischförmig) |
1899 Prof. Angle (Wikipedia: Zahnfehlstellungen):
2019 VLT-Kontakte (nach Weilenmann)
N = normale Verzahnung mit punktförmigen Kontakten
Die Patientin ist eine starke Knirscherin mit typischen Knirschermuskeln. Nach vielen Jahrzehnten des Knirschens sind die Zähne ganz flach geworden. Das Problem ist, dass flache Zähne sehr viele Zahnstellungen erlauben.
Die Patientin hat nun bei jeder neuen Füllung Mühe, bis sie passt. Und zwar kann beim Zahnarzt den Mund wegen Kieferschmerzen nicht lange öffnen, und nach der Behandlung weiss sie nicht mehr genau, wie die Zähne zusammenpassen. Sie bemerkt oft erst zuhause oder am nächsten Tag, dass nun die neue Füllung (oder ein anderer Zahn) bei einer gewissen Zahnstellung etwas stört.
Hier wurde ein unterer Sechser im Erwachsenenalter entfernt. Danach sind der untere Siebner und Achter vorgewandert und gekippt, und der obere Sechser ist wegen dem fehlenden unteren Sechser nach unten gewachsen. Die Fehlstellung besteht schon seit mehreren Jahrzehnten.
Diesem Patienten wurden in der Schule die unteren beiden Sechser gezogen. Dann sind die Siebner langsam nach vorne gewandert und haben die Lücken geschlossen. Der Patient hat nie eine Spange oder eine Zahnkorrektur bekommen.
Bei einer natürlichen "Vorwanderung" wandern die Zähne nicht aufrecht vorwärts, um die Lücke zu schliessen, sondern sie drehen und kippen nach vorne.
Diese Patientin hat als Kind eine Zahnkorrektur mit Brackets und Bögen bekommen. Zuerst wurden alle Vierer extrahiert, dann alle Prämolaren und Molaren zum Lückenschluss verschoben. Rechts im Bild ist ein schönes Resultat entstanden, aber links stehen zwei Zähne im Kreuzbiss.
Dieser Patientin wurde im Alter von 6 Jahren wegen Platzmangel der Oberkiefer mit einem W-Bogen gedehnt und ein unterer Schneidezahn entfernt (sie hat jetzt nur noch drei untere Schneidezähne!).
Nach der Behandlung war der Oberkiefer breiter als der Unterkiefer und haben sich die Frontzähne im Schlussbiss normal berührt.
Unterdessen ist ein beidseitiger Kreuzbiss und ein vorn offener Biss entstanden.
Beim Vergleich mit dem Bild als 12-Jährige (oben) bemerkt man, dass die seitlichen Schneidezähne vorgewandert sind. Die Dreiecke zwischen den Zähnen waren ursprünglich mit Zahnfleisch ausgefüllt.
Geplant waren vier Porzellankronen mit gleichmässigem Aussehen. Das Zahnfleisch hätte sich dabei aber nicht vermehrt, sondern wäre wegen den Kronen eher noch etwas mehr zurückgegangen. Eine Korrektur mit Komposit scheint ebenfalls möglich.
72-jähriger Patient (20.05.2016 / 457)
Anamnese: 1987 hatte der Zahn 41 wegen dem Tiefbiss einen Parodontalabszess. Der Patient biss den Zahn wenige Monate später ganz aus. Die Wurzel wurde abgetrennt und die Krone auf der Rückseite mit zwei Drähten und Approximalfüllungen am 42 und 31 angeklebt (1 Sitzung, CHF 370). Seither hat der Patient keine Beschwerden mehr und fühlt stets, dass seine Zähne in Ordnung sind.
Der V-Kontakt verwandelt die Kaukraft in eine Sprengkraft. Der Zahn mit der tiefen Kaudelle wird wegen ganz normalem Kauen zerbrechen.
Der L-Kontakt bewirkt, dass ein Zahn beim Kauen stets zur Seite gedrückt wird. Das quetscht die Fasern und Nerven auf dieser Seite, bis Schmerzen entstehen.
Der T-Kontakt bewirkt eine hohe senkrechte Last auf den Zahn, so dass der Nerv bei der Wurzelspitze gequetscht wird. Die Entzündung macht ihn generell überempfindlich, was man bei einem Kaltreiz zu spüren bekommt.
gut | schlecht | Frakturprophylaxe |
Kauen und Knirschen haben eine Kerbwirkung (Wikipedia). Und zwar bewirkt der Kaudruck an den schiefen Höckerabhängen zugleich eine Zugspannung im spitzigen Grübchen (=Kerbe). Zu hohe und zu häufige Spannungsspitzen führen zum Haarriss und allmählich zur Fraktur.
Geometrische Formfaktoren:
Biologischer Faktor:
Unter tiefen Gruben ist das Pulpadach dünn und gelangen die Mikroorganismen im Haarriss rasch zur Pulpa.
Frakturprophylaxe:
Die Spannungsspitzen verursachen blitzartige Kauschmerzen und/oder eine andauernde Kaltempfindlichkeit.
Bei diesen Vorzeichen gilt es, die Geometrie der Okklusion zu verändern und/oder allenfalls eine neue Füllung zu legen.
Dieser Patient konnte gar nicht mehr kauen.
Rechts oben befanden sich alle Formen vom V- bis zum T-Kontakt, was den Gegenzahn von 6+ (6-) sehr kaltempfindlich machte.
Links oben bekam der obere Siebner (+7) wegen seinem V-Kontakt eine tiefe Lateralfraktur
(weitere Erklärungen).