In extremen Fällen kann eine Wirkungskette bei den Zähnen beginnen (wegen einer bakteriellen Entzündung,
wegen stressbedingten muskulären Verspannungen oder wegen einem ästhetischen Problem) und mit der Zeit zu Zahnverlusten,
zu wandernden Schmerzen im ganzen Körper und sogar zu einem permanenten sozialen Vermeidungsverhalten führen.
Die Abklärung ist manchmal sehr schwierig und erfordert einige Erfahrung oder gelingt nur
− mit einer interdisziplinären orthopädisch-internistischen Diagnostik,
− mit einem multidimensionalen geriatrischen Assessment,
− mit einer oralen Störfelddiagnostik oder
− mit einer oralen Funktions- und Schmerzdiagnostik (z. Bsp. bei Rückenschmerzen).
Erstaunliche Fernwirkungen sind beispielsweise
− Neuraltherapie bei einem Eckzahn vermindert eine Leseschwäche,
− Weisheitszahn-Extraktion bewirkt Sofortheilung am Knie oder am Nacken oder eine
− Umschaltung auf Farbsehen nachdem ein Auge nur noch schwarz-weiss gesehen hat.
Motiv dieser Seite: Die Gesundheit ist ein oft verborgenes Würfelspiel der Natur. Wer einige ihrer versteckten Mechanismen kennt, erschrickt nicht bei gewissen Erscheinungen, sondern kann sie besser verstehen, akzeptieren, pflegen, erhalten oder vielleicht vermeiden. Diese Seite soll zeigen, dass die Variabilität der gesunden Zähne im Detail unendlich gross ist.
Im Mund vermehren sich pausenlos hunderte von Bakterienarten und Viren und manchmal auch Pilze. Ihre Zusammensetzung ist bei jedem Menschen anders. Sie leben in Biofilmen und befinden sich an den Zähnen und Implantaten, in der Karies, im Zahnstein und bei Wurzelfüllungen. Von da gelangen in jeder Sekunde unterschiedlich viele in den Blutkreislauf. Im Normalfall werden sie vom Immunsystem sofort und restlos beseitigt.
Wie schädlich die Biofilme sind, hängt vor allem vom Essverhalten und von der Mundhygiene ab. Wer wenig Zucker konsumiert, bleibt ziemlich kariesfrei. Und wer seine Zähne und Zahnzwischenräume jeden Tag einmal gut putzt, hat weder Zahnstein noch Zahnfleischbluten.
Essverhalten: Seit einigen Jahren mehren sich die wissenschaftlichen Empfehlungen zu einer entzündungshemmenden Ernährung. Sie senkt das Gewicht und vermindert Entzündungen, auch Zahnfleischbluten. Wenig Zucker, Weissmehl und Fleisch usw., stattdessen Gemüse, Vollkornprodukte, Früchte und Beeren, Fisch, Leinsamenöl usw. Die Rede ist von "anti-inflammatory food" oder "anti-inflammatory diet", "stone age diet" usw.
Mundhygiene: Es sei jedem die tägliche Anwendung von Interdentalraumbürsten empfohlen.
Manchmal finden die oralen Keime über den Blutweg auch eine Nische im Körper, wo sie bleiben können. Zum Beispiel finden sie in den Blutgefässen immer wieder Stellen, wo sie kleben bleiben und zu einem neuen Biofilm heranwachsen können. Daraus entsteht eine Verkalkung (wie Zahnstein) und manchmal eine Entzündung. Man nennt sie dann "Streuherd".
Arterienverkalkung: Dentogene Biofilme sind auch in den Herzkranzgefässen nachweisbar.
Parodontitis: Meistens verkalken die Zahnbeläge mit der Zeit und wachsen dann unter das Zahnfleisch. Der subgingivale Zahnstein greift den Kieferknochen an und verursacht Knochenschwund.
Gingivitis: Nach der Pubertät beginnen die Zahnbeläge das Zahnfleisch zu reizen. Sind sie gross und dick, so entzündet es sich und entsteht Zahnfleischbluten.
Karies: Wenn die Biofilme am Zahn zu oft mit Zucker in Kontakt kommen, produzieren sie Säure, welche den Zahn auflöst. Folge davon ist auch bei kleiner Karies eine Entzündung des Zahnnervs (Pulpitis).
Von den Zähnen gelangen etwa gleich viele Neuronen zum Gehirn wie von den Beinen.
Die afferenten Neuronen landen nicht einfach irgendwo im Gehirn,
sondern bleiben benachbart wie im Mund und ordnen sich im sensorischen Cortex zum Homunculus.
Von dort sind sie mit fast dem ganzen übrigen Gehirn verknüpft,
und zwar mit dem motorischen Cortex (Kaumuskeln), aber auch mit dem Kleinhirn (Schreckreaktionen),
der Amygdala (Angst) usw.
Es ist anzunehmen, dass sich die Zähne und ihre Funktionen bei jedem Menschen anders anfühlen.
Insbesondere sind die Kalt- und Schmerzempfindlichkeiten der Zähne
sowie die daraus folgende Art des Kauens und Knirschens, die Abnutzung der Zähne
bis zur Angst vor einer Zahnbehandlung mit all ihren Auswirkungen auf den Blutdruck, den Angstschweiss usw.
sehr variabel.
Afferente Neuronen: Jeder Zahn enthält hunderte von Drucksensoren, Temperatursensoren und Schmerzsensoren. Sie leiten die Signale zum sensorischen Cortex (siehe Homunculus).
Orale Reflexkreise: Der sensorische Cortex leitet die Signale der Zähne zum motorischen Cortex weiter. Von da gelangen sie zu den Kaumuskeln, Lippen und zur Zunge.
Zahnextraktion: Wird ein Zahn entfernt, so sterben die mit ihm verbundenen Neuronen. Entsprechend verschwinden die dazugehörenden Reflexkreise und Assoziationen.
Gangsicherheit: Über das Kleinhirn sind die dentalen Neuronen sogar mit dem Gleichgewichtssinn verbunden. Deshalb haben Prothesenträger eine geringere Gangsicherheit als vollbezahnte Menschen.
1. Nahrungsaufnahme: Die Saug- und Schluckbewegungen sind vom ersten Tag an lebenswichtig. Bei Frühgeborenen sind sie noch unreif und müssen unterstützt werden. Der zahnlose Säugling zerkleinert feste Nahrung mit seinen Kieferkämmen, in denen die Zahnkeime stecken (siehe Baby beim Kauen).
2. Soziale Signale: Die "social six" (= die oberen sechs Frontzähne) sind wichtig für den ersten Eindruck, der entscheidend falsch und schlimme Folgen haben kann. Man muss sich täglich einige Minuten lang um die Zahnpflege kümmern. Unansehnliche Zähne können eine Depression und soziale Isolation verursachen.
3. Beisskraft: Sie ist die archaischste Funktion zwecks Aggression und Selbstverteidigung. Im Leistungssport übt man sich darin, diesen krampfhaften Reflex während einer Spitzenanstrengung zu unterlassen.
4. Grundfunktion 'Kauen mit Seitenzähnen': Die Seitenzähne sind mehrwurzelig, und die Wurzeln sind meistens etwas gespreizt. Das bewirkt, dass mindestens eine der Wurzeln die leichten Querkräfte beim Kauen als eine axiale Belastung spürt. Und zwischen den Wurzeln bildet der Alveolarknochen ein horizontales Lager, welches jeden Kaudruck, ob axial oder quer, abfedert.
5. Grundfunktion 'Abbeissen mit Frontzähnen': Die Frontzähne sind einwurzelig, und ihre Drucksensoren spüren feine Kräfte genauer als jeder andere Körperteil.
6. Parafunktionen 'Pressen und Knirschen':
Sie dienen dem Stressabbau, und gelegentlich knirscht jeder Mensch einmal nachts im Schlaf.
Etwa 8% der Bevölkerung haben deshalb Kieferschmerzen, und etwa 3% erscheinen deshalb beim Zahnarzt
(Wikipedia: CMD-Symptome).
Die Wahrnehmung von Stressfaktoren und die Reaktion darauf sind sehr verschieden.
Sie können zu einem chronischen Stresshormonspiegel und zu einem Burnout führen
bei genetischer Veranlagung, nach einem grossen frühkindlichen Stress wie Missbrauch oder Vernachlässigung,
durch ständige Überforderung in der Jugend, durch einen zu hohen Ehrgeiz usw.
Genetischer Einfluss:
Die Genetik legt die Grundformen der Dentitionen (Milchgebiss, bleibendes Gebiss) und die Zahnstellungen
sowie die dazu passenden Zungen-, Lippen- und Unterkieferbewegungen fest.
Das heisst, dass diese Grundformen bei den Eltern und Geschwistern teilweise ähnlich sind.
Iatrogener Einfluss:
Die Entwicklung wird oft durch
kieferorthopädische, zahnärztliche, logopädische und psychotherapeutische Behandlungen gesteuert.
Biografischer Einfluss:
Die Mundhygiene und Ernährung (Karies), Krankheiten (Parodontitis, Mundtrockenheit),
Medikamente und Alterungsvorgänge haben einen entscheidenden Einfluss.
Streben nach Schönheit:
Das genaue Gegenteil der Ruheschwebe,
welche wir Zahnärzte den CMD-Patienten empfehlen,
ist die neue Mode der Jawliner (oder "Kiefertrainer"),
mit denen man die Kiefermuskeln trainieren soll, um besser auszusehen.
Unter Ethno-Zahnmedizin
findet man noch weitere solche Beispiele. Dazu gehören auch die Piercings an
Zunge, Lippe, Wange und Lippenbändchen. Sie erleichtern den Bakterien den Eingang ins Körperinnere.
Psychologischer Einfluss:
Den grössten Einfluss auf die Zähne hat der Bruxismus.
Knirscherschmerzen nehmen seit einigen Jahren zu (siehe Jig).
Die Schmerzen sind eine Folge der hohen Belastung der Kaumuskeln und Zähne.
Bruxismus vermindert auch die Lebensdauer von Füllungen, Kronen, Implantaten usw.
− Grundfunktion "Abbeissen und Kauen": Bei einem Kauzyklus erfolgen Abbeissen und Kauen zeitlich und örtlich getrennt. Zunächst beisst man mit den Frontzähnen etwas ab und führt es dann zu den Seitenzähnen, wo man es zermahlt, portioniert und hinunterschluckt. Dann folgt wieder Abbeissen usw. Pro Tag finden etwa 1000 solche Kauzyklen statt, in 80 Jahren etwa 30 Millionen (siehe hier).
− Parafunktion "Pressen und Knirschen": Bruxismus ist stressbedingt. Er findet meistens nur im Schlaf statt, manchmal aber auch tagsüber bei der Arbeit und im Gespräch. Dabei können sich die Kaukraft und die Zahl der Kauzyklen verglichen zum idealen Normalfall mehr als verdoppeln. Entsprechend verdoppelt sich die Abnützung der Zähne und halbiert sich die Haltedauer der Füllungen usw.
− Beim Abbeissen wirkt die Kraft auf einzelne Frontzahnwurzeln, während die Speise bewusst und gezielt von den Lippen, der Zungenspitze und evt. von der Hand gehalten wird.
− Beim Kauen hingegen wirkt die Kraft auf mehrere Seitenzahnwurzeln (Gruppenkontakt), während die Speise sehr unbewusst vom hinteren Zungenrand und von den Wangen automatisch mit einem Reflex auf die Kauflächen geschoben wird.
− Beim Kopfbiss berühren sich alle Front- und Seitenzähne gleichzeitig. Dann ist der Tastsinn auch beim Kauen aktiv. Das Kauen erfolgt deshalb etwas bewusster und exakter als beim Normbiss. Zudem verteilt sich die Kaukraft auf maximal viele Zähne und kann sehr hoch werden (bis 500 kp und mehr). Diese häufige Wahrnehmnug der körperlichen Präzision und hohen Kauleistung kann sich auf die Persönlichkeit und Partnerwahl auswirken.
− Beim fliehenden Kinn kann der Frontzahn-Tastsinn ganz fehlen. Die betroffenen Personen haben keinen körperlichen mikroskopisch genauen Tastsinn. Bei einer Okklusionskontrolle klappern sie ihre Zähne fester aufeinander wie die Patienten mit Normalbiss. Mir scheint auch, dass manche ihre körperlichen Feinsignale wenig beachten und sich dann körperlich überfordern.
− Beim offenen Biss berühren sich manchmal nur wenige Seitenzähne. In diesen Fällen muss die Kaukraft klein bleiben oder sind die Molaren permanent überlastet und kaltempfindlich.
Frontzahn-Tastsinn |
Kaumechanismus | ||
Norm-
biss Kopfbiss |
Kraftrichtung: axial (Kopfbiss) |
Mahlbewegungen |
Kraftrichtung: hauptsächlich axial |
Das vorstehende, eckige Kinn signalisiert Männlichkeit, Entschlossenheit, Kraft und robuste Gesundheit.
Abbeissen erfolgt mit den Seitenzähnen
Frontzahn-Tastsinn fehlt
Seitenzähne dienen zum Kauen und Abbeissen
Meinen Befragungen zufolge empfinden sich diese Patienten regelmässig als überaus
präzise (handwerklich, amtlich, musikalisch usw.).
Zugleich sind sie häufig auch sehr initiativ.
Abbeissen setzt die Frontzahnwurzeln überall unter Druck (+ +).
Frontzahn-Tastsinn und Kaumechanismus sind
simultan aktiv
Kaukraft kann maximal hoch werden.
Die meisten Leute haben einen Normbiss mit vier Merkmalen:
Der Lippenschluss ist ein zwangloser Dauerzustand
Abbeissen setzt die Frontzahnwurzeln unter Druck und Zug (+ −)
Frontzahn-Tastsinn funktioniert auch zum Nagen
Seiten- und Frontzähne arbeiten nicht gleichzeitig.
Es wird mit Anpassungsfähigkeit, Schüchternheit, hoher Sozialisierung, wenig Initiative und gar
einer Lethargie assoziiert.
Die Beispiele zeigen, dass diese Alltagspsychologie auch ganz falsch sein kann.
Abbeissen erfolgt mit den Front- oder Eckzähnen
Frontzahn-Tastsinn fehlt oder ist unbequem
Seitenzahn-Kaumechanismus oft mit langer Vorgleitbahn.
Bei einem offenen Biss presst sich die Zungenspitze beim Schlucken gegen die Lippen.
Dabei unterbricht sie oft den Lippenschluss und wird einen Moment lang sichtbar.
Abbeissen schwierig (die Speisen werden von Hand verkleinert)
Frontzahn-Tastsinn fehlt
Kauleistung ist reduziert, Molaren überlastet.
Seit der Zeit der Neandertaler ist das Gebiss wegen der hohen Sozialisierung und weichen Nahrung kleiner geworden. Das Kinn hat sich jedoch kaum verkleinert und gilt als ein Relikt aus dieser.
Das Gebiss beeinflusst das Verhalten, aber immer beeinflusst auch umgekehrt das Verhalten das Gebiss.
Zum Kopfbiss:
Auch die sensiblen Frontzähne können dauerhaft überlastet und übermässig abgenützt werden.
Das Bild zeigt eindrücklich eine langandauernde, hohe und durchhaltende Kraft.
Der Patient kam, weil ihn alle oberen Zähne schmerzten (links, rechts und vorne). Beim Betasten stellte sich heraus, dass auch die Wangenmuskeln links und rechts sehr steif und druckempfindlich waren. Eine warme Auflage auf die Wangen hat die Schmerzen sofort vermindert, was auf einen knirschbedingten Muskelkater hinweist. Nacken, Schultern und Stirn waren stets schmerzfrei. Mit einem
Frontzahn-Jig konnte er das nächtliche Knirschen fortan verhindern.
Hinter dieser aussergewöhnlichen Abnützung und den Schmerzen stehen eine chronische psychische Krankheit eines Familienmitglieds,
die grosse Empathie des Patienten, die Verbindung mit dem in Italien verbliebenen Teil seiner Familie und die hohe körperliche
Belastung in seinem Beruf (Bauarbeiter).
Das Beispiel zeigt eindrücklich die Wechselwirkungen zwischen dem Gebiss und den Ess- und Knirschgewohnheiten des Patienten, die wiederum von seinem Charakter abhängig sind, welcher von seiner Familie und der Umwelt beeinflusst wird.
Zum fliehenden Kinn: Weil die Frontkontakte fehlen verteilt sich die Kaukraft nicht auf das ganze Gebiss,
sondern nur auf die hinteren Zähne. Diese sind wenig sensibel auf Druck (im Gegensatz zu den Frontzähnen).
Entsprechend kann die Kaukraft sehr stark werden (300 - 1000 Kp) und Zahnimplantate, Porzellankronen, Füllungen
und Zähne zerbrechen.
Hohe Kaukräfte kombiniert mit sauren Speisen (Früchte), Rohkost (Salat mit Essig), sauren Getränken (Kaffee) und/oder
häufigem Knirschen nützen die Seitenzähne manchmal mehrere Millimeter ab.
Die nicht abgenützten Frontzähne greifen dann tief übereinander (Tiefbiss).
Sie behindern die Vorbewegung des Unterkiefers und die freien Bewegungen der Kiefergelenke.
Diese Blockade und Fehlstellung des Unterkiefers kann die ganze Körperhaltung stören (Rundr¨cken).
Sie sind mit einer Bisshebung zu beheben.
Eine Bisserhöhung durch eine Überkronung aller Zähne ist aber sehr teuer.
Das Dahl-Prinzip und Komposit-Aufbauten sind ernst zu nehmende, minimalinvasive Alternativen.
Zum offenen Biss: Kleinkinder mit offenem Biss entwickeln Ersatzmechanismen für das Abbeissen.
Wenn zum Beispiel Spaghetti aus ihrem Mund hängen, können sie sie nicht einfach abbeissen und in den Teller fallen lassen.
Vielmehr befördern sie sie saugend und leckend nach und nach in den Mund.
Zwischendurch müssen sie immer wieder warten, bis im Mund genug Platz frei wird für die nächste Portion.
Bei solchen Speisen nehmen sie "Kauen und Schlucken" bewusster wahr als Kinder mit Frontzahnkontakt.
Durch das häufige Befeuchten der Lippen wird die Zunge kräftiger und länger.
Sie kann dann die bleibenden Frontzähne beim Zahndurchbruch nach vorne schieben.
Letztere stören dann den Lippenschluss.
Das Kind kann das verhindern, wenn es sich während des Durchbruchs der bleibenden Frontzähne
(etwa mit 6 Jahren) den Lippenschluss angewöhnt.
Ist es aber vielleicht ein Mundatmer und ist die Nasenatmung behindert?
Knirscht jemand mit einem (vorn) offenen Biss, so beginnen die Molaren zu schmerzen. Und knirscht jemand mit Kopfbiss, so schmerzen auch die Frontzähne.
In Italien gibt es viele zahnlose Menschen. Sie sagen "La minestra va sempre!" (93-jährige Patientin (04.12.2023 / 5075)). Offenbar kann man sich bestens nur mit Gemüsesuppe ernähren, wenn man keine Zähne mehr hat. Ohne Zähne kann man nicht knirschen und hat man keine Kauschmerzen.
Es gibt Zahnlücken, die überhaupt nicht stören, und solche, die als sehr störend empfunden werden, und zwar rein ästhetisch, oder rein kautechnisch, oder aus beiden Gründen. Füllt man dies Lücken mit einer Teilprothese, einer Porzellanbrücke oder mit einem Implantat, so können in Einzelfällen neue störende Schäden (v.a. bei Knirschern), Gefühle (Zungenirritation) und/oder Bedenken (wegen dem Metall im Mund usw.) entstehen.
Bei jedem Bild ist zu bedenken, dass das Temperament des Patienten und sein Charakter einen grossen Einflusse haben.
So kann eine generelle Abrasion der Kauflächen auf einen starken Bruxismus hinweisen. Sie kann aber auch durch häufigen Säurekonsum und wegen einer Vorliebe für Rohkost entstehen.
Und je genauer jemand seine Zähne putzt, desto gesünder bleiben sie. Aber wenn er nur wenig Süsses isst und trinkt, entsteht auch bei wenig Mundhygiene keine Karies.
Nicht nur genetisch, auch psychisch bedingt sind das Immunsystem und die Speichelqualität. Auch sie sind zentral wichtig bei der Zahnsteinbildung und Parodontitis (siehe auch Psychoneuroimmunologie).
Einfluss der Zahnformen
Die Form der Kauflächen bestimmt, ob man harte Esswaren liebt.
Junge Zähne haben Höcker und Grübchen. Je steiler die Höcker und tiefer die Grübchen,
desto schärfer und schneidender der Biss. Und desto weniger Kraft und Zeit braucht es, um
einen Bissen zu zerkleinern, bis man ihn schlucken kann.
Und umgekehrt: je flacher die Zähne, desto weniger können sie das Essen zerschneiden und desto mehr kann man es nur verpressen und zerquetschen. Solche Patienten vermeiden Trockenfleisch, Rohkost, Vollkorn-Brot, knusprige Frühstücksflocken usw.
Einfluss des Zahnfleisches
Parodontitis führt schon im mittleren Alter zu Zahnlockerungen und Zahnlücken.
Die betroffenen Patienten haben schon in der Jugend eine Vorliebe für weiche Speisen, Suppen, Crèmes usw.
und vermeiden feste und knackige Esswaren.
31-jährige Patientin (11.05.2021 / 8144)
Das ist eine normale Zahnstellung.
Das soziale Signal besteht darin, dass die Patientin zeigt, dass sie ihren Frontzahn lieber nicht abschleifen möchte für eine Krone, dass ihr also die Zahngesundheit mehr bedeutet als ein kleiner Schönheitsfehler. Das Bild zeigt natürlich auch, dass sie einen Zahnunfall hatte und dem Zahnarzt keine perfekte Reparatur gelungen ist.
Die Frontzähne wiederspiegeln Gesundheit, Körperpflege und Schönheit.
Die Zahnstellung beim vorstehenden und fliehenden Kinn gibt häufig auch einen Eindruck vom Charakter oder Temperament einer Person.
Übermässig weisse Porzellanzähne können stolz zur Schau gestellt und
defekte Zähne können schamhaft hinter der Oberlippe versteckt werden.
Weitere Beispiele siehe Frontzahnstellungen
50-jährige Patientin (21.03.2022 / 4046)
Diese Frontzähne haben eine auffällige Mitte. Die sogenannte Mittellinie ist manchmal wohl das Erste, was einem beim Betrachten eines Gesichtes auffällt.
Die Mittellinie fällt am meisten auf, wenn es zwischen den Frontzähnen einen Spalt gibt (ein sogenanntes Diastema). Der Spalt ist wegen seiner dunklen Farbe so auffällig, weil sie einen Kontrast zu den weissen Flächen der Frontzähne bildet.
Die Patientin störte sich so sehr an der schiefen Mittellinie und am kleinen Spalt, dass sie sich nach einigen Jahren des Leidens zu einer Korrektur überwunden hat. Die Korrektur hat immerhin 270 CHF gekostet. Trotzdem war sie nach der Korrektur beim Blick in den Spiegel ziemlich erregt und begeistert.
Implantate haben eher eine etwas höhere Beisskraft als natürliche Zähne, weil sie keinen Druckschmerz spüren können.
Bei einem Lückengebiss, bei Brücken und bei Parodontitis ist die Beisskraft vermindert.
Bei Vollprothesen beträgt sie je nach der Geometrie der Kieferkämme nur noch 0-20 N.
Bei einem Spitalaufenthalt, einer Depression und im hohen Alter kann die Beisskraft so niedrig sein, dass die Zähne elongieren.
Die Beisskraft ist wichtig zur Aggression (Beissen bei Kindern) und zur Selbstverteidigung (bei gewalttätigen Übergriffen).
In einem gesunden Gebiss beträgt die Beisskraft der Frontzähne durchschnittlich etwa 200 N.
Beim nächtlichen Knirschen im Schlaf (Stressabbau) werden bis 500 N Beisskraft gemessen.
Der Weltrekord bei einem Biss in eine spezielle Messaparatur beträgt 1 Tonne (1'000 kg).
70-jähriger Patient (27.01.2016 / 618)
Das soziale Signal deutet auf "viel Temperament" (und eine gewisse Unbeherrschtheit) und viel Stress.
Die Kombination "Knirschen und Säurekonsum" hat zu diesem grossflächigen Verlust von Zahnsubstanz geführt.
Er konnte mit Komposit bestens repariert werden (einfacher Fall)
Je nach dem Temperament werden die Gebissfunktionen mehr oder weniger fest benutzt.
Knirschen und häufiger Säurekonsum erniedrigen die Zähne um etwa 1 mm pro 10 Jahre.
Pressen und 2-3 mal Zähneputzen pro Tag erzeugen Zahnhalsdefekte im gleichen Ausmass.
Beim Kaureflex dominieren die Kaumuskeln und der Seitenrand der Zunge. Der Unterkiefer bleibt hinten nahe beim Schlussbiss und sucht einen Gruppenkontakt, bei dem sich gleichzeitig und ziemlich zufällig mehrere (mehrwurzelige) Seitenzähne links und rechts berühren.
Beim Kauen wird der Speisebrei (schwarz) mit den Seitenzähnen zerquetscht, und die Wange und Zunge schieben ihn reflexartig und automatisch auf die Kauflächen zurück, wenn er neben die Zähne hinaus gepresst wird.
Beim Kaureflex dominieren die hinteren Kaumuskeln und ein wenig sensibler und wenig bewusster Gruppenkontakt.
Die Kaukraftmessungen variieren je nach Testgerät. Die Kaukraft der Molaren beträgt ca. 50-70 kg. Die Beisskraft der Frontzähne ist etwa halb so gross. Mit individuell angefertigten Geräten wurde bis zu 120 kg Beisskraft gemessen.
Im Vorbiss schiebt sich der Unterkiefer 2-4 mm nach vorne und unten. Dabei entsteht ein Einzelzahn-Kontakt, bei dem sich ein oberer und unterer (einwurzeliger) Frontzahn im Kopfbiss berühren.
Beim Nagen schieben die Lippen und Zunge gleichzeitig ein kleines Objekt (rot) auf die Schneidekanten. Dort wird es sorgfältig und bewusst verpresst. Die Lippen und Zunge positionieren es automatisch wieder auf die Schneidekanten zurück.
Beim Frontzahn-Tastsinn dominieren die Lippen, die Zungenspitze und ein präziser, sehr bewusster Einzelzahnkontakt.
Die Tast-Funktion entsteht nach dem Durchbruch der ersten Milchzähne. Lippen und Zunge bewegen sich ähnlich wie beim Saugreflex. Zusätzlich schieben die Kaumuskeln den Unterkiefer nach vorne und machen erste Kaubewegungen. Der Einzelzahnkontakt ist so bewusst wie eine Berührung an den Lippen.
Die Frontzähne haben ein Unterscheidungsvermögen von bis zu 8 μm (HANEL Shimstockfolie).
34-jähriger Patient (04.03.2020 / 4571)
Bei einem Kopfbiss besteht ständig ein ziemlich bewusster Frontzahnkontakt. Das kann zu einem grossen Bedürfnis nach Genauigkeit führen.
Beispielsweise kann ein Musiker mit Kopfbiss wie ein Metronom der ganzen Band den Takt ganz genau vorspielen. Ein Hobby-Schreiner mit Kopfbiss kann beim Zuschneiden und Verkleben der Modellflugzeuge nicht die kleinste Toleranz zulassen. Oder eine Beamtin mit Kopfbiss will ihre Arbeit immer pedantisch und auf den Punkt genau erfüllen.
Die Frontzähne berühren sich auch beim Kauen. Der präzise Tastsinn und die präzise Kontrollmöglichkeit werden zu Gewohnheit.
Diese Patienten spüren die Unstimmigkeit einer neuen Seitenzahnfüllung besser als alle anderen. Bei ihnen kann Genauigkeit eine grosse Rolle spielen, uns sie staunen oft über sich selber, dass sie im Beruf, Hobby oder ganz allgemein alles so genau nehmen.
3-jährige Patientin (09.07.2021 / 7704)
Das ist ein offener Biss im Milchgebiss. Er kann sich im bleibenden Gebiss spontan korrigieren, wenn es die Zunge und die Lippen zulassen.
Wenn aber die Zungen- und Lippenmotorik verfestigt ist, kann sich sogar zehn Jahre nach einer korrigierenden Ober- und Unterkieferoperation ein Rückfall einstellen.
Die Schneidekanten können sich nie direkt berühren. Die körperliche Erfahrung von hoher Präzision ist unterentwickelt.
Das Gebiss arbeitet hauptsächlich grobmotorisch. Zudem sind wegen dem fehlenden Frontzahnkontakt lange Knirschbewegungen nach vorne möglich. Diese Personen handeln oft schnell und unkompliziert, sind oft auch extravertiert und beachten die räumlichen Details eher wenig.
Bei dieser jungen Dame wird beim Pressen ein gut trainierter Kaumuskel sichtbar. Die Parafunktionen wirkein sich nicht nur auf die Muskeln aus, sondern auch auf die Zähne, und zwar:
Häufiges Pressen macht die Zähne kaltempfindlich. Und häufiges Knirschen schleift die Zähne flach (Flachknirscher) oder tief (Tiefknirscher) ab (Bilder hier). Bei zu häufigen und/oder zu grossen Kräften brechen schliesslich die Höcker ab oder die Wurzeln entzwei.
Masseter, 39-jährige Patientin (30.06.2021 / 7511)
Schon Kleinkinder knirschen mit den Milchzähnen verschieden stark je nach ihrem Temperament. Und wohl jeder Erwachsene knabbert manchmal am Finger oder presst bei grosser Zeitnot, Anstrengung und Angst usw. die Zähne zusammen.
Die häufigste normale stressbedingte Parafunktion ist der nächtliche Bruxismus (Pressen und Knirschen). Bei hohem Stress entstehen Schmerzen im Bereich der Wange und Stirn, des Nackens und der Schultern. Weitere Parafunktionen sind Kaugummi-Kauen und Nägelkauen.
Eine gut bewegliche Zunge kann die Mundhygiene ein Leben lang ständig verbessern.
Je nach der Beschaffenheit des Zungenbändchens kann die Zungenspitze sogar bis hinter den Weisheitszahn greifen. Die ist insbesondere ein Vorteil im Alter von 18 bis 22 Jahren, wenn die Weisheitszähne durchbrechen. In dieser Zeit entstehen gerne Schmerzen unter dem Zahnfleisch bei einem Weisheitszahn. Die Zunge kann das Zahnfleisch jeweils gut wegschieben und die Speisereste hinausdrücken.
Auch hier spielt der Charakter des Patienten eine vorherrschende Rolle. Wenn er jeweils gewohnheitsmässig nach dem Essen mit seiner Zungenspitze das ganze Gebiss nach Speiseresten absucht und diese wegschiebt, dann hat er eine bessere Mundhygiene und fördert zudem den Speichelfluss.
Im hohen Alter, bei einer Depression oder bei Alzheimer erlahmen die Zungenbewegungen. Deshalb bleiben viele Speiseresten zwischen den Zähnen liegen, die mit der Zunge bequem wegzuschieben wären. Entsprechend entsteht mehr Karies als normal.
Der Patient ist Bassist und ist sich gewöhnt, mit den Fingerspitzen die Saiten seiner Instrumente sehr genau
zu suchen, zu berühren, daran zu reiben und sie niederzudrücken. Auf die gleiche Weise berührt er mit seiner Zungenspitze sehr genau jeden einzelnen seiner Zähne und Zahnzwischenräume.
Er erzählt, dass er dies immer wieder macht - und dabei automatisch auch die Zähne reinigt.
Im Vergleich dazu berühren viele Leute ihre Zähne nur mit dem Zungenrücken und bedecken dabei gleich eine ganze Zahngruppe. Dabei nähert sich die Zungenspitze kaum jemals einem einzelnen Zahnzwischenraum.
Korrosion: Wie jedes mechanische Werkzeug korrodiert auch das Gebiss. Ausschlaggebend sind der Grad des Bruxismus (Pressen und Knirschen), Säuren (in Früchten, saure Speisen und Getränke, Magensäure wegen Reflux und Bulimie), die Zahnpasta und Zahnputzgewohnheit sowie die Essgewohnheiten (Rohkost). Bakterien spielen keine Rolle.
Karies: Die Karies-Bakterien können bei häufigem Zuckerkkonsum die harmlosen Bakterien im Mund verdrängen und sich zu einer schädlichen Menge vermehren, so dass Karies entsteht.